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Georgiens Krise geht in neue Runde

Von Ulf Mauder

Europaarchiv

Opposition will Niederlage nicht akzeptieren. | Wahlbeobachter sprechen von korrektem Urnengang. | Tiflis. (dpa) Michail Saakaschwilis Anhänger feierten schon lange vor Bekanntgabe der ersten offiziellen Ergebnisse den alten und auch neuen Präsidenten Georgiens. Durch den tiefen Schnee in Tiflis schlitterten sie singend mit wehenden weißen Fahnen und ihren aufgedruckten roten Kreuzen. Für Saakaschwilis stärksten Widersacher Lewan Gatschetschiladse waren der Autokorso und ein seit Tagen gebuchtes Sieger-Konzert in der Philharmonie allerdings reine Provokation. "Wir werden mit Massenprotesten gegen die Wahlfälschung und Saakaschwilis Lügen vorgehen", drohte der reiche Weinunternehmer bei einer Massendemonstration.


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Am orthodoxen Heiligen Abend versammelte die Opposition bei eisiger Kälte auf dem Rike-Platz tausende Menschen. Sie blieben friedlich, beschimpften Saakaschwili aber erneut als "Diktator". Der Wahlsieg des bisherigen Staatschefs - nach den letzten bekannt gewordenen Ergebnissen kam es er auf 51,7 Prozent - hinterlässt bei vielen Georgiern Bitterkeit.

Prügel für Gegner

Rose mit Trauerflor - Protest der Opposition unter Anspielung auf die Rosenrevolution, mit der Saakaschwili 2003 an die Macht gekommen ist. Foto: Reuters/Grigory Dukor

Der prowestliche Politiker hat den teuersten Wahlkampf geführt, die meiste Medienaufmerksamkeit genossen und ein großes Sozialprogramm angekündigt. Dabei vergisst ihm kaum ein Georgier das gewaltsame Vorgehen gegen seine Kritiker Anfang November, als die Polizei Knüppel, Tränengas und Gummigeschoße gegen Demonstranten einsetzte. Saakaschwili rief damals vorübergehend den Ausnahmezustand aus und setzte Neuwahlen an.

"Georgiens politische Krise wird mit dieser Wahl nicht beendet sein, auch wenn Saakaschwili bei Stimmenverlusten von mehr als 30 Prozent im Vergleich zu seiner ersten Wahl 2004 einen Dämpfer hinnehmen musste", sagte die Politologin Dani Tabukaschwili.

Saakaschwili ließ Wahlbeobachter noch vor der Abstimmung wissen, dass er auf die auch in westlichen Demokratien gegen Demonstranten eingesetzten Polizeimittel auch in Zukunft im Interesse des Staates zurückgreifen werde. Die noch junge und verletzliche Demokratie Georgiens sei vielen Gefahren durch "kriminelle und verlogene Politiker" ausgesetzt, orakelte der in den USA promovierte Jurist. Vorwürfe von Experten, er führe das Land zunehmend autoritär, wies Saakaschwili zurück.

Doch viele seiner Anhänger haben sich inzwischen enttäuscht von Mischa, wie sie ihn nennen, abgewandt, nachdem er das korrupte, von Familienclans beherrschte Regime seines Vorgängers Eduard Schewardnadse zum Rückzug gezwungen hatte. Die Menschen in der Schwarzmeerrepublik werden den 40-Jährigen nun an seinen Wahlversprechen messen. In seinem Programm "Georgien ohne Armut" versprach Saakaschwili den rund 4,5 Millionen Einwohnern unter anderem steigende Pensionen und eine bessere medizinische Versorgung. Seine Wähler trauen ihm auch die Lösung der Konflikte um die von Georgien abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien zu. Zudem trifft seine antirussische Politik den Nerv der Bevölkerung, auch wenn viele Kritiker ihn inzwischen als Marionette des Westens und insbesondere der USA bezeichnen.

Nach anfänglicher Skepsis lobten internationale Wahlbeobachter die Präsidentenwahl als einen "Quantensprung für die demokratische Entwicklung des Landes". Erstmals hätten die Georgier eine echte Wahl unter mehreren Kandidaten gehabt, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Manfred Grund. Gleichwohl hielten sich hartnäckig Vorwürfe der Opposition, Saakaschwili habe staatliche Ressourcen für die Wahlen missbraucht.

Kurs auf Nato-Beitritt

Bereits vor der Wahl hatten Georgiens Verbündete im Westen - allen voran die Europäische Union und die USA - auf fairen und freien Wahlen in der Schwarzmeerrepublik bestanden. Saakaschwili sollte das im November stark beschädigte Vertrauen wiederherstellen, um den Kurs des Landes in Richtung EU und Nato fortzusetzen. Ein gleichzeitig mit den Wahlen abgehaltenes Referendum über den Nato-Beitritt ergab mehr als 60 Prozent Zustimmung.

Laut der Expertin Tabukaschwili bleibt aber die Gefahr von Unruhen, weil die Opposition ihre Niederlage nicht akzeptiere. Allerdings spreche für Saakaschwili, dass er auf wesentliche Forderungen der Opposition eingegangen sei. Zudem seien bereits im Frühjahr vorgezogene Parlamentswahlen geplant.

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