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Georgiens Provokationen nähren Russlands Angst um den Hinterhof

Von Georg Friesenbichler

Analysen

"Die Georgier werden noch uns und unsere Offiziere verhöhnen." Mit diesen Worten warnte schon im Mai Generalleutnant Juri Netkaschew, ehemaliger Vizechef der russischen Streitkräfte in Transkaukasien, vor einem Anzug russischer Truppen aus Georgien. In der jüngsten Festnahme russischer Offiziere sehen viele Militärs und Parlamentsmitglieder ihre Befürchtungen und ihre Ansicht bestätigt, dass Moskau gegenüber der ehemaligen Sowjetrepublik zu weich agiere.


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Die Russen kontrollieren als Friedenstruppe das Grenzgebiet zwischen Georgien und seiner abtrünnigen Provinz Abchasien. Die Georgier werfen wohl nicht ganz unberechtigterweise den Russen vor, in diesem Jahrzehnte währenden Konflikt nicht objektiv zu sein. Kreml-Herrscher Wladimir Putin nennt die diskutierte Unabhängigkeit der serbischen Provinz Kosovo als Beispiel dafür, dass man Georgiens Rebellen in Abchasien und Südossetien ähnliche Ansprüche nicht verwehren könne.

Russland reagierte so scharf, als hätte es eine tatsächliche Bedrohung vom südlichen Nachbarn zu erwarten. Ausgerechnet der ehemalige Geheimdienstchef Putin verglich das Vorgehen der georgischen Führung mit dem Geheimdienst NKWD, der unter Stalin Millionen sowjetischer Bürger verfolgt hatte. Die nun ausgerufenen Wirtschaftsblockaden begannen allerdings schon im Frühjahr, als Moskau Wein- und Mineralwasserimporte aus Georgien unterband.

Russland ist die stark westliche orientierte Politik von Präsident Michail Saakaschwili, der seinen Vorgänger Edward Schewardnadse 2003 mit der sogenannten "Rosen-Revolution" aus dem Amt jagte, ein Dorn im Auge. In Tiflis wird man nicht müde, die Beitrittsabsicht zur Nato zu bekunden. Putin reagierte nun, in dem er "diesen Leuten" vorwarf, von "ausländischen Sponsoren" unterstützt zu werden.

Die Aufrufe der USA wie auch der EU zur Mäßigung, die sich an beide Seiten richten, deuten allerdings daraufhin, dass der Westen über die Entwicklung in der Krisenregion gar nicht so glücklich ist. Viele Beobachter meinen, dass Schaakaschwili, der als Heißsporn gilt, sich zu sehr auf die Unterstützung der USA verlässt. Freilich hat er einen geostrategischen Trumpf in der Hand: Die Gaspipeline von Aserbeidschan ins türkische Ceyhan führt durch Georgien.

Als derart gestärkter Partner des Westens kann sich Schaakaschwili Provokationen in kleinem Rahmen erlauben und versuchen, damit seine Landsleute zu beeindrucken. Denn im eigenen Land ist sein Ruf als Reformer angekratzt: Zwar hatte er einige Erfolge zu verzeichnen, etwa die Eingliederung des gleichfalls abtrünnigen Adscharien. Die Bevölkerung ist aber immer noch arm. Die Opposition kritisiert zudem eine faktische Einparteienherrschaft, ein korruptes und politisch gelenktes Justizsystem und eine Reduzierung der Medienfreiheit. Am Donnerstag finden in Georgien Kommunalwahlen statt.