Streiks und Demos in der sommerlichen Urlaubs-Saison.
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Athen. Um 13.17 Uhr sahen die Demonstranten am Dienstag auf dem Athener Verfassungsplatz plötzlich auf dem Gelände gegenüber ein Transparent. In Riesenlettern stand darauf: "Lasst uns die Regierung entlassen - Nein zu den Entlassungen im privaten und öffentlichen Sektor". Die Abgeordneten des oppositionellen Bündnisses der Radikalen Linken (Syriza) hatten die laufende Debatte im Athener Parlament verlassen, um vor dem Parlamentsgebäude demonstrativ ihre Solidarität mit der nur wenige Meter davor protestierenden Menschenmenge zu bekunden.
"Die Stunde der Linken hat geschlagen", skandierten prompt die Protestierenden. Alles nur Wunschdenken? Ob Syriza tatsächlich bald die Athener Regierung aus konservativer Nea Dimokratia (ND) und Pasok-Sozialisten ablöst, bleibt abzuwarten. Doch egal ob in Athen, Thessaloniki oder auf dem Peloponnes: Wer glaubte, die Griechen hätten nach mittlerweile sechs Sparpaketen seit dem Ausbruch der Krise Anfang 2010 nun mitten im Sommer keine Lust mehr, ihren Protest gegen ein neues Maßnahmenpaket der Regierung zum Ausdruck zu bringen, der irrte gewaltig. Und: Diesmal blieben die Proteste und Streiks friedlich. Ihre Auswirkungen waren aber in der Urlaubs-Hochsaison vielerorts zu spüren. Ärzte behandelten in staatlichen Krankenhäusern nur Notfälle. Zahlreiche Museen und antike Stätten blieben geschlossen. Die Züge fuhren nicht.
Allein in Athen gingen am Dienstag Zehntausende auf die Straße. Die Gewerkschaft der Privatangestellten und die der Beamten hatten zu einem 24-stündigen Generalstreik aufgerufen. Ihr Ziel: Ein von der Regierung eingebrachter Multi-Gesetzentwurf soll am Mittwochabend nicht vom Parlament gebilligt werden.
Der umstrittene Plan sieht vor, dass bis Ende September insgesamt 12.500 Staatsbedienstete in eine sogenannte Mobilitätsreserve gesteckt werden. Für acht Monate sollen die Mobilitätsreservisten 75 Prozent ihres bisherigen Gehalts beziehen. Findet man keine Verwendung mehr für sie im Staatsapparat, soll ihnen der Laufpass gegeben werden.
Beobachter sehen in der Mobilitätsreserve nur die Vorstufe zur Beamten-Entlassung. Denn das klamme Euro-Land hat sich gegenüber seiner Kreditgeber-Troika aus EU, Europäische Zentralbank und Internationalem Währungsfonds dazu verpflichtet, bis Ende des laufenden Jahres 4000 Staatsbedienstete zu entlassen. Bis Ende 2014 sollen 15.000 Beamte ihren Hut nehmen. Es wären die ersten Beamten-Entlassungen in Hellas seit immerhin 102 Jahren. Scheitert die Regierung mit ihrem Gesetzesvorhaben, blockiert die Troika ihre bereits genehmigte Kredittranche in Höhe von 6,8 Milliarden Euro bis Oktober.
Die Opposition ist gegen das Regierungsvorhaben. Ferner haben die Demonstranten offensichtlich das Gros der Griechen auf ihrer Seite. Einer am Samstag veröffentlichten Umfrage der Athener Zeitung "Ependytis" zufolge sind 62 Prozent der Befragten gegen die geplante Abschaffung der Gemeindepolizei. Überdies sieht sich der konservative Premier Antonis Samaras, der sich nach dem jüngsten Ausscheiden des Koalitionspartners Demokratische Linke nur noch auf eine knappe Mehrheit von 155 Sitzen im 300 Mandate umfassenden Parlament stützt, auch teilweise erheblichem Widerstand gegen die Beamten-Entlassungen in den eigenen Reihen ausgesetzt.