Netanjahu hat die Bildung des nächsten Regierungskabinetts begonnen. Erwartet wird eine ultrarechte Koalition in Israel - um Inhalte und Ministerposten wird heftig gerungen.
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Tel Aviv. Am Mittwochabend hat Israels Staatspräsident Reuven Rivlin Benjamin Netanjahu mit der Regierungsbildung beauftragt. In den vorangegangenen Konsultationen sprachen sich 67 der 120 Parlamentarier der zukünftigen Knesset für Netanjahu aus. Damit wird der bisherigen Premier, der in den Wahlen vom 17. März seinen Herausforderer Isaak Herzog um sechs Sitze überflügelt hatte, voraussichtlich seine vierte Amtszeit antreten. Bis zum 23. April, dem israelischen Unabhängigkeitstag, soll die neue Regierung stehen. Einer der wichtigsten Kabinettsposten wurde gestern geklärt: Mosche Kahlon wird wie gewünscht das Finanzministerium erhalten. Kahlon, dessen neu gegründete Partei Kulanu 10 Sitze erreichte, galt als eigentlicher "Königsmacher" der zukünftigen Regierung. Während Netanjahus zweiter Amtszeit noch Mitglied des Likud, wurde er später von Netanjahu im Streit entlassen. Die nun erfolgte Versöhnung war für Netanjahu unumgänglich. Ohne Kahlon hätte er die notwendige Parlamentsmehrheit nicht erhalten.
Obwohl ein ehemaliger "Likudnik", stehen für Kahlon Sicherheitsfragen nicht im Vordergrund. Im Wahlkampf hat er vor allem auf Wirtschaftsthemen gesetzt: die wachsende Einkommensschere, die Preisexplosion auf dem Wohnungsmarkt, die Kartellbildung in zentralen Wirtschaftsbereichen. Netanjahu hat bereits angedeutet, dass Kahlons Agenda ein bedeutender Faktor der neuen Koalition werden soll: "Das Volk von Israel wartet nicht. Es braucht eine Regierung, die sich der wichtigen Themen Sicherheit und Sozialwirtschaft annimmt", sagte er nach seiner Konsultation mit Staatschef Rivlin.
Die übrigen Koalitionspartner werden sich dieser zentralen Achse zwischen Likud und Kulanu unterordnen müssen. Die Vertreter der Ultraorthodoxen, Schas und Vereinigtes Torah-Judentum, hofften ebenfalls auf das Finanzministerium: Traditionell macht die Ultraorthodoxen vor allem dann in einer Koalition mit, wenn sie Einfluss auf die Vergabe von Subventionen für Gesundheit, Bildung und Sozialgelder nehmen und damit die Bedürfnisse ihrer religiösen Klientel erfüllen können. Sie sollen nun mit zentralen Positionen in der parlamentarischen Finanzkommission an Bord gehalten werden.
Auch die beiden Parteien rechts des Likud haben Ansprüche gemeldet, die sich kaum gänzlich erfüllen werden. Der bisherige Außenminister Avigdor Lieberman von der säkularen Rechtspartei Israeli Beitenu hat seine im Wahlkampf geäußerte Forderung nach der Todesstrafe für verurteilte Terroristen erneut bekräftigt. Er verlangt für sich das Verteidigungsministerium, um seinen harten Kurs gegenüber den Palästinensern zu verwirklichen. Und die nationalreligiöse Siedler-Partei Habait Hayehudi von Naftali Bennett wird ihre Forderung nach einem "Nationalstaatsgesetz", das den jüdischen Charakter des Staates Israel stärken soll - und das mitverantwortlich war für den Bruch der letzten Koalition im Dezember 2014 -, erneut aufs Tapet bringen. Diesmal mit besseren Chancen. Bennett pocht zusätzlich auf eines der Schlüsselministerien Außenpolitik, Justiz oder Inneres.
Gegen die Maximalforderungen von Israeli Beitenu und Habait Hayehudi, die beide Sitzverluste erlitten haben, formiert sich innerhalb des Likud bereits Widerstand. Ein Regierungskabinett ist per Gesetz auf 18 Ministerposten beschränkt, und prominente Likud-Politiker wie Danny Danon oder Miri Regev mahnen, aufgrund des klaren Wahlergebnisses müsse die neue Regierung einen deutlichen Likud-Kurs aufweisen.
Neuer Spannungen mit USA
Netanjahus Aufgabe, mit seinen vielen Partnern eine stabile Koalition zu bilden, wird trotz seiner wiedererlangten Stärke deshalb nicht einfach. Als Alternative bleibt die große Koalition mit der unterlegenen Zionistischen Union von Isaak Herzog und Tzipi Livni. Beide haben bereits bekräftigt, ihren Zusammenschluss auch in der Opposition aufrechterhalten zu wollen. Eine Koalition mit Likud schloss Herzog offiziell aus. Doch würde sie nicht nur den von Staatspräsident Rivlin ersehnten gesellschaftlichen "Heilungsprozess" nach dem polarisierenden Wahlkampf erleichtern, sondern Netanjahu vor allem auf dem internationalen Parkett Luft verschaffen - insbesondere im ramponierten Verhältnis zu US-Präsident Barack Obama.
Dieses erreichte Anfang der Woche einen neuen Tiefpunkt: Das "Wall Street Journal" berichtete, israelische Nachrichtendienste hätten die laufenden Atomgespräche zwischen Iran und den USA ausspioniert. Israel wies den Vorwurf deutlich zurück, und israelische Medien vermuten dahinter ein Manöver der US-Regierung, um Netanjahu in der Palästinenserfrage auf Kurs zu bringen. Kommt Netanjahus Rechtskoalition zustande, wäre die von Obama urgierte Zweistaatenlösung vorerst vom Tisch.