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"Gerechtigkeit statt Rache"

Von Konstanze Walther

Politik

In Spanien hat sich die "Bürger"-Partei von einer Regionalveranstaltung zum bundesweiten Mehrheitsbeschaffer gemausert.


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Madrid. Nackt, seinen Genitalbereich nur mit den Händen bedeckend, warb Albert Rivera 2006 mit dem Slogan: "Deine Partei wurde geboren" um die katalanische Wählergunst. Riva konnte die "Ciutadans" ("Bürger" auf Katalanisch) damals als sechste Kraft in das Regionalparlament in Barcelona hieven - man sprach die intellektuellen Liberalen an, die mit dem erstarkenden katalonischen Nationalismus nichts zu tun haben wollten.

Doch in einem Land, das von der Immobilienkrise und Korruption gebeutelt wurde wie kaum ein anderer Staat, stellten sich immer mehr Spanier die Frage, wen man denn noch überhaupt wählen könne. Sollten es etwa eine der Großparteien sein, die knietief in diesen Korruptionssümpfen waten, nämlich die derzeit regierenden Konservativen vom Partido Popular (PP) mit ihrer Parteikassen-Affäre, oder die Sozialisten (PSOE) mit ihren Gewerkschaftsvertretern, die sich aus den maroden Sparkassen bedienten? Oder die Kommunisten? Oder sollte man seine Hoffnungen in die erst 2014 gegründete linke Partei "Podemos" stecken, die aus der spanischen Protestbewegung gegen die Krisenpolitik, hervorgegangen ist? Oder setzt man sein Vertrauen in eine Partei, die seit fast zehn Jahren im katalonischen Parlament sitzt, inzwischen auch im Europaparlament, ihren Namen inzwischen in kastilische - also breitenspanische - "Ciudadanos" umbenannt hat, und sich bisher noch keinen einzigen Skandal geleistet hat?

Eine unbefleckte Alternative

Für viele Spanier ist die Antwort naheliegend: Albert Rivera, der Nackte vom Plakat von damals, rangiert in Umfragen unter den beliebtesten Personen des öffentlichen Lebens, gemeinsam mit dem König, Sportlern und Schauspielern - fernab von allen anderen Politikern. Und der Jurist und Parteivorsitzende Rivera gibt noch immer eingängige Sprüche von sich: Seine Konkurrenten von der Protestpartei, "Podemos", "wollen Rache. Wir wollen Gerechtigkeit", sagte er etwa zu Wochenbeginn der Tageszeitung "El Mundo". Und so kommt es, dass aus der liberalen, regionalen Kleinpartei inzwischen eine ernstzunehmende überregionale Kraft geworden ist, und im heurigen spanischen Superwahljahr - landesweite Kommunal- und Regionalwahlen finden im Mai sowie Parlamentswahlen im Herbst statt - wohl in mehreren Parlamenten Einzug hält.

Am kommenden Sonntag ist es etwa in Andalusien soweit. Die Wahl im bevölkerungsreichsten Bundesland gilt als wichtiger Stimmungstext. Einer von "El Pais" in Auftrag gegebenen Umfrage zufolge kommt "Ciudadanos" auf Anhieb auf elf Prozent und damit auf zwölf der 109 Sitze im Regionalparlament. Und dabei hat "Ciudadanos" erst vor kurzem beschlossen, auch in Andalusien antreten zu wollen. Zwar wird die Protestpartei "Podemos" voraussichtlich mit 14,7 Prozent auf drei Sitze mehr kommen, nämlich 15, als "Ciudadanos". Aber: Die Kandidatin der Sozialisten PSOE, Susana Díaz, die zwar leicht verliert, aber mit 36,7 Prozent stärkste Kraft sein wird, hat schon eine Koalition mit "Podemos" sowie mit den Konservativen des PP ausgeschlossen. Da bleibt, so rechnen alle, nur "Ciudadanos" als Mehrheitsbeschaffer. Die Partei aus der Mitte kann mit allen. Sozialistische Politiker sind etwa zu ihr übergelaufen. Aber hauptsächlich nimmt sie den Konservativen Wähler weg. Apropos: Die Konservativen, die nicht nur in der Bundesregierung sitzen, sondern auch Andalusien bisher mit knapp 41 Prozent der Stimmen dominieren, werden diese Wahl in Andalusien nur schwer angeschlagen überstehen. Prognosen zufolge werden ihre Sitze von 50 auf 29 fast halbiert.