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Sex im angelsächsischen Raum, Geld in Deutschland: Die Rede ist von den häufigsten Rücktrittsgründen von Politikern. Und in Österreich? Hierzulande tritt prinzipiell kein Politiker zurück. In Österreich wird zurückgetreten. Und das zunächst wortwörtlich: Wer von der Konkurrenz und den Medien kritisiert wird, kontert mit heftigen Gegenattacken.
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Und die eigenen Parteifreunde machen selbstredend die Mauer. Weil, herausschießen lässt sich keine Partei einen der ihren. Schon gar nicht von Außenstehenden und am allerwenigsten von anderen Parteien, gar nicht zu reden von Zeitungsredaktionen.
Zurückgetreten wird ein Politiker in Österreich nämlich einzig und allein von den eigenen Leuten. Und das nur dann, wenn er die Partei bei Wahlen kräftig nach unten zieht. Solange sie jedoch die Chancen beim Wahlvolk nicht gefährden, ist Politikern ein langes Leben beschieden.
Der Grund für diese Unkultur liegt in der bemerkenswerten Geringschätzung des gesprochenen Wortes. In Österreich können Politiker fast alles sagen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Und weil das so ist, muss die rhetorische Eskalationsspirale immer weitergedreht werden, um für die für massenmedial vermittelte Politik unerlässliche Aufmerksamkeit zu sorgen.
Deshalb tritt Uwe Scheuch nicht zurück, weil er ja nur über die Möglichkeit einer Parteispende im Gegenzug für die Staatsbürgerschaft an einen investitionswilligen Ausländer geredet hat. Deswegen schreckt ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger nicht vor der absurden Behauptung zurück, FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache klaube auf seinen Disco-Touren offenbar Jugendliche auf, um sie dann als Söldner ausbilden zu lassen (weswegen er nun in erster Instanz wegen übler Nachrede verurteilt wurde). Deshalb bezeichnet ein Tiroler FPÖ-Landtagsabgeordneter einen schwulen Kollegen der Grünen als "Landtagsschwuchtel"; der wiederum weiß nichts Besseres, als mit "Bodensatz" zu kontern. Die Liste ließe sich unendlich verlängern. Aber gut is g’angen, nix is g’schehn. Waren ja nur Worte, ohne Hirn dahingesagt. In Österreich geht das als allgemein respektierte Form von Politik durch. Aber all diese Probleme verblassen ohnehin vor dem Elend in Haiti.