Die Pfarre St. Rochus im 3. Bezirk definiert Homosexualität anscheinend immer noch als Krankheit. Im Magazin der Pfarre erzählt eine Lesbe von ihrer "Heilung".
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Queer-Gottesdienste in deutschen Kirchen. Pfarrer, die sich bereit erklären, Lesben zu trauen. Ein Kirchenkomitee fordert "eine klare Positionierung gegen die Abwertungen homosexueller Menschen". Selbst der Papst schlägt in die tolerante Kerbe. "Wer sind wir zu urteilen?", rief er kritisch in die Runde der Kleriker. Öffnet sich die Kirche? Erlebt sie ihre sexuelle Revolution?
Noch ist es zu früh für Freudensprünge. Homosexuellen Katholiken wird der Traualtar weiterhin verwehrt bleiben. Denn die Lehre der Kirche schließt die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare kategorisch aus. Der kanonisch festgelegte Ritus definiert das Sakrament der Ehe ausschließlich als Gemeinschaft von Mann und Frau. So steht es geschrieben, so sei es. Schluss. Aus. Amen.
Mittlerweile umweht die starre Lehre jedoch ein erstaunlich aufgeschlossener Wind. Die Atmosphäre ändert sich. Das Thema ist kein Tabu mehr. Die Kirche öffnet sich. So räumte der Papst den Kirchen in der Frage der Ehe mehr Eigenständigkeit ein. Schließlich lässt die Auslegung der Lehre eine große Spannweite zu.
Doch das Pendel kann auch in die andere Richtung ausschlagen. So tolerant sich manche Pfarren nun zeigen, so erschreckend rückgewandt agieren andere. Etwa die Pfarre St. Rochus im 3. Wiener Gemeindebezirk. Vier Mal im Jahr bringt sie das Magazin "Rochus" heraus. Vier Mal im Jahr flattert es in die Haushalte der Mitglieder des Sprengels. Die aktuelle Ausgabe beschäftigt sich mit der Frage "Ehe für alle?"
Eine Doppelseite ist der Lesbe Ursula gewidmet. Im Interview schildert sie ihren Weg der "Heilung". Jesus habe sie von ihrer homosexuellen "Neigung geheilt", heißt es da etwa. Homosexualität als Krankheit? Wie Grippe oder Krebs? Anscheinend, denn die Homosexualität Ursulas sei die "Konsequenz" von "traumatischen Erlebnissen" gewesen. Im Narrativ eines trockenen Alkoholikers schildert sie ihren Leidensweg weiter: "Von Jahr zu Jahr rutschte ich tiefer in den Sumpf der Homosexualität." Fast bis zum Selbstmord. Schließlich "heilte" sie Jesus. Sie fand einen "Weg aus der Homosexualität", erkannte den "Irrweg".
Homosexualität als Krankheit zu definieren ist so diskriminierend wie gefährlich. Denn die Logik des Denkens führt direkt in die geschlossene Psychiatrie. Und dort waren wir ja schon einmal. Ein prominentes Beispiel ist der Mathematiker Alan Turing, dessen "Behandlung" ihn in den 1950er-Jahren vermutlich in den Selbstmord trieb.
Sexuelle Vorlieben zum Leiden zu erklären stigmatisiert Menschen. Sie sind kein "Irrweg". Sie sind kein "Sumpf". Und sie sind schon gar kein Gebrechen. Immerhin wird Homosexualität weltweit seit 25 Jahren nicht mehr als Krankheit gesehen. Die WHO strich sie 1992 aus ihrem Diagnosekatalog. In St. Rochus geschah das nicht. Hier hinkt man dem zeitgemäßen Diskurs über Gleichberechtigung meilenweit hinterher. So bedenklich die privaten Ansichten Ursulas auch sein mögen, sie sind nicht das Problem. Sie als Argument gegen die Ehe für alle zu missbrauchen, ist der eigentliche Fauxpas. Der frische Wind des Vatikans weht nicht bis in den 3. Bezirk.