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Gerhard Wagner - welch ein Glück

Von Engelbert Washietl

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Der Autor ist Vorsitzender der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse, und Salzburger Nachrichten.

Manchmal ist eine vermeintliche Katastrophe ein wahrer Segen. Der Streit um eine drittklassige Kirchen- position hat den Weg für einen konstruktiven Dialog freigeschaufelt.


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Im Alten Testament schickt Gott den Menschen ab und zu Plagen, um sie auf den rechten Weg zu weisen. Den Oberösterreichern schickte er einen designierten Weihbischof in Gestalt Gerhard Maria Wagners. Über diesen wurde bereits alles ausgebreitet und -geschüttet, was zu finden war, und der Kirchenmann half dabei wehrhaft mit.

Die Medien bedienen sich dabei ihrer eigenen Technik. Was liegt, pickt. Die "Satanismus"-Aussage, die der offenbar über die Gottlosigkeit moderner Literatur besorgte Wagner über den globalen Bestseller "Harry Potter" im Jahr 2001 gemacht hatte, wurde in den vergangenen Tagen so oft zitiert, als habe der Priester aus Windischgarsten den Zaubererroman erst gestern auf einen Index der für oberösterreichische Kinder verbotenen Bücher gesetzt. Aber alles zusammen ließ doch berechtigte Zweifel wach werden, ob das ein Bischof sein könne, dem das Kirchenvolk vertrauen werde.

Vermutlich hat im Vatikan bis zum Zeitpunkt des großen Aufbegehrens, an dem sogar Kardinal Christoph Schönborn aktiv teilnahm, niemand darüber nachgedacht. Einigen mediokren "Drahtziehern" sind solche Überlegungen der Volksnähe sowieso fremd. Der streitbare Pastoraltheologe Paul Zulehner nannte am Sonntag "Im Zentrum" des ORF einen von ihnen beim Namen, ohne dass er ihn zu outen brauchte - Ex-Bundesrat Gerhard Schambeck ist sowieso seit Jahren einschlägig als Betreiber unseliger Personalentscheidungen für die Kirche in Österreich bekannt.

Vieles, was im Zuge der heftigen Kontroverse um Wagner dem fernen Vatikan oder dem Papst Benedikt XVI. negativ angerechnet wurde, erscheint seit Sonntag in relativiertem Licht. Offenbar ist der Vatikan in der Lage, selbst in einer Hilfsbischofs-Affäre sofort und nicht erst nach ein paar Jahrhunderten zu reagieren, wenn sie außer Kontrolle gerät - und dabei eigene Verfahrensfehler zu korrigieren. Das ist in der Tat eine neue, menschlichere Variante von "Roma locuta, causa finita".

Zu diesem Umschwung trugen zweifellos die eindeutigen Äußerungen hoher Würdenträger bei, die über Ortskenntnis verfügen. Nuntius Egon Kapellari präsentierte sich als "Gesandter" im wahren Sinn und meldete nach Rom, was hier vorging. Kardinal Schönborn zeigte sich seiner Verantwortung für die gesamte österreichische Kirche bewusst, obwohl diese entgegen allen Zentralismusvorstellungen föderal strukturiert ist und manchmal bunte Meinungsspektren erzeugt.

In Zeiten zwischen den innerkirchlichen Krisen ist Schönborn selber geneigt, die Nachrichtenlage mit Gedankengängen zu stopfen, die Rätselraten und Kopfschütteln hervorrufen. Aber jetzt hat er erfolgreich zur "Schadensbegrenzung" aufgerufen. Das war ihm, spät aber doch, auch bei der Beendigung der Affäre um den 2004 zum Rücktritt gezwungenen St. Pöltner Bischof Kurt Krenn gelungen.

Allein die Vorstellung, die Ernennung Wagners zum Weihbischof könnte als Fortsetzung der gescheiterten vatikanischen Personalpolitik der Ära der Bischöfe Hermann Groer und Kurt Krenn gedeutet werden, dürfte ihm zu Recht als Horror für seine pastorale Aufgabe erschienen sein.

Es wäre jetzt eigentlich eine Basis gelegt, um die Anliegen von "Wir sind Kirche" in einer konstruktiven Form aufzugreifen und zu behandeln. Bloß darf diese Plattform im Taumel der Ereignisse nicht überziehen und glauben, es würden schon morgen alle katholischen Pfarrer nicht nur heiraten dürfen, sondern dies auch sofort tun.