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Am 8. Oktober letzten Jahres beauftragte die Staatsanwaltschaft in Paris den Richter Renaud Van Ruymbeke, eine Untersuchung gegen ein Konsortium einzuleiten, an dem die US-Firma Kellogg Brown and Root (KBR) und die französische Firma Technip beteiligt sind. Die Anklagepunkte umfassen "Bestechung von ausländischen Beamten" und "die Veruntreuung von Konzernkapital", so diverse Medienberichte. Der Fall geht auf eine Vereinbarung aus dem Jahr 1990 zurück über den Bau einer 6 Mrd. Dollar teuren Gasverflüssigungsanlage auf Bonny Island, Nigeria. Ein Bericht in der französischen Zeitung "Le Monde" vom Dezember geht davon aus, dass am Ende "die Untersuchung in der Causa den US-Vizepräsidenten Dick Cheney als schuldig befinden wird".
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"Cheney hat schon immer angedeutet, dass ,man sich die Hände schmutzig machen muss, wenn man das Öl haben will'", erläuterte der Sprecher des Center for Public Integrity in Washington, Bill Allison gegenüber der "Wiener Zeitung". "Es (die jetzt laufende Untersuchung, Anm.) überrascht mich gar nicht", fügte er hinzu.
KBR ist eine Tochtergesellschaft der Firma Halliburton, deren Präsident Cheney von 1995 bis 2000 war. Die Untersuchung gegen KBR wurde wegen ihrer Führungsrolle im Bonny Island Projekt des Konsortiums eingeleitet. Weiters soll durchleuchtet werden welcher Art ein Netzwerkes von verdächtigen Firmen und Finanzströmen ist, das durch das Konsortium aufgebaut wurde.
Halliburton zahlte 2,4 Mill. Dollar Bestechungsgelder
Bereits vor dem Start der offiziellen Untersuchung ging bei der Securities and Exchange Commission (SEC), die in den USA notierte Unternehmen überprüft, im Mai eine Aktennotiz ein. In dieser gab Halliburton zu, dass KBR 2,4 Mill. Dollar an Bestechungsgeldern an einen nigerianischen Steuerprüfer gezahlt hat.
Die Bestechung ausländischer Beamter ist eine Verletzung des Foreign Corrupt Practices Act der USA. Doch während das Gesetz von Washington immer wieder als Garantie für eine gediegene Handlungsweise von US-Unternehmen beworben wird, berichten andere, dass das Gesetz selten umgesetzt wird.
Ölindustrie für Korruption besonders anfällig
"In der Ölindustrie geht es immer um Super-Profite. Weil jeder danach strebt, und der Markt das nicht wirklich reguliert, gibt es Krieg, Bestechung und Korruption praktisch überall dort, wo es eine Ölindustrie gibt", sagte Jim Paul, Geschäftsführer des Global Policy Forum, einer Überwachungsorganisation in New York, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
In der SEC-Akte über Halliburton ist nachzulesen, dass KBR das Bestechungsgeld an eine Firma gezahlt hat, die dem nigerianischen Steuerprüfer gehört. In den Büchern wurde es als Bezahlung für einen "Steuerberater" geführt. In Wirklichkeit ist die Person jedoch bei der lokalen Steuerbehörde angestellt. Sprecher der Firma KBR haben nun angekündigt, die Firma werde die Steuern, die sie hinterzogen hat, nachzahlen. Ähnliche "Provisionszahlungen", in der Höhe von 180 Mill. Dollar, an eine Firma für angebliche "Serviceleistungen" beschäftigen Richter Van Ruymbeke ebenfalls.
Ermittlungen in Verbindung mit Elf Aquitaine-Affäre
Die Untersuchung ist eine Nebenerscheinung der langjährigen Erhebungen gegen das französische Staatsunternehmen Elf Aquitaine, das gleichzeitig die siebentgrößte Ölfirma der Welt ist. Im Oktober 2002 wurde Richter Van Ruymbeke über einen Schmiergeldfonds unterrichtet. Diese neuen Erkenntnisse führten zu einer Ausdehnung der Untersuchungen. "Le Monde" berichtete, dass der frühere Verkaufsleiter der Firma Technip, George Krammer, diese Informationen preis gegeben hat. Die französische Polizei bestätigte später Teile von Krammers Aussage.
Seither wurde bekannt, dass die Firmen Technip, Snamprogetti (Italien), KBR und JGC (Japan) in den frühen 1990ern ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet haben, dass nach den Initialen der vier Firmen TSKJ genannt wurde. Jedes Unternehmen erhielt einen 25 Prozent-Anteil. Es wurde jedoch berichtet, dass TSKJ von KBR beherrscht wurde.
Niederlassung im Steuerparadies Madeira
Das Gemeinschaftsunternehmen gründete dann im portugiesischen Steuerparadies Madeira eine Überseeniederlassung, berichtete "Le Monde". Diese Firma mit Namen LNG Servicos soll zu 50 Prozent im Besitz von KBR gewesen sein. Die angebliche Aufgabe von LNG war es, TSKJ bei der Verwaltung von Projekten zu unterstützen. LNG hat dann in den Jahren 1995, 2001 und 2002 "Unterstützungsverträge" mit der Firma Tri Star in Gibraltar geschlossen. Genau darauf konzentriert sich nun die Untersuchung.
180 Mill. Dollar für "Serviceleistungen"
Die konservative französische Zeitung "Le Figaro" berichtete, dass eben Tri Star die 180 Mill. Dollar an Zahlungen für Serviceleistungen, um die es in der Untersuchung durch Richter Van Ruymbeke geht, erhalten hat. Die Zeitung deckte jedoch weiter auf, dass "Jeffrey Tesler der einzige Vertreter von Tri Star ist" und dass "es scheint, als sei er auf alleinige Vollmacht von KBR eingesetzt worden". Im März wurde bekannt, dass die Firma Technip, die auch Teil des Konsortiums ist, dagegen war, Aufträge an die Firma Tri Star zu erteilen. Tesler habe jedoch "seit den 1980er Jahren geschäftliche und persönliche Beziehungen zu KBR". Er war außerdem bekannt für "sein umfassendes Netzwerk an Kontakten - das Ergebnis aus dreißig Jahren Arbeit in Nigeria, in denen er vielen berühmten Leuten als Berater zur Seite stand".
Gelder flossen in die Schweiz und nach Monaco
Veröffentlichten Berichten zufolge war Tesler, während er für Halliburton tätig war, auch der Finanzberater des verstorbenen nigerianischen Diktators Sani Abacha. Tesler soll das Vermögen Abachas verwaltet haben. Erste Zahlungen an Tesler von LNG Servicos gingen an ein Schweizer Nummernkonto. Die französischen Behörden bestätigten jedoch, dass nach der Einleitung einer Untersuchung von Abachas Schweizer Konten, die Zahlungen an Tesler auf ein Konto in Monaco umgeleitet wurden.
Das Gehaltsschema, das die Auszahlung von "Provisionen" an Tri Star ermöglichte, wurde von den französischen Behörden ins Jahr 1995 zurückverfolgt, als Cheney Vorsitzender von Halliburton war. Neben verdächtigen Zahlungen an nigerianische Behörden soll Richter Van Ruymbeke angeblich auch mögliche "Provisionszahlungen" an Mitglieder des TSKJ Gemeinschaftsunternehmens überprüfen. "Le Figaro" fragte: Könnte ein Teil des Geldes, dass Jeffrey Tesler bezahlt wurde, an hochrangige Amerikaner oder politische Gruppierungen in den USA gegangen sein?" Andere französische Medien haben sich diesen Vermutungen angeschlossen.
Nach Zeugenaussagen von Technip Mitarbeitern war die Einführung der fragwürdigen "Provisionsstruktur" einzig und allein ein Projekt der Firma KBR. Es scheint "bestätigt, dass die Initiative und die Ausführung des geheimnisvollen Provisionssystems hauptsächlich von KBR ausging", so "Le Figaro".
Richter Van Ruymbeke ist angeblich gerade dabei die 180 Mill. Dollar zurückzuverfolgen, die durch zwei von Teslers Kontos gelaufen sind: Jenes in der Schweiz und jenes in Monaco.
Die Zuständigkeit der französischen Gerichte in diesem Fall ergibt sich aus einer Anti-Korruptions Vereinbarung der OECD aus dem Jahr 1997, die von 35 Staaten, darunter auch die USA und Frankreich, unterzeichnet wurde.
Cheney wird nicht direkt der Bestechung angeklagt werden. Ihm wird jedoch Komplizenschaft in der Veruntreuung von Konzerngeldern vorgeworfen werden.