Rechtsanwälte wehren sich gegen Zwangsverpflichtung. | Oft fehlt das nötige Spezialwissen. | Wien.Die Situation ist brenzlig - vor allem für mittellose, psychisch Kranke. Den Gerichten gehen nämlich die Sachwalter aus. "Es ist sehr schwierig, für psychisch Kranke, die nicht mehr Herr über sich sind, einen Sachwalter zu finden", erzählt Doris Täubel-Weinreich, Obfrau für die Fachgruppe Familienrecht in der Richtervereinigung.
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Die Ursache liegt in einer Änderung des Sachwalterrechts vor gut eineinhalb Jahren: Seit der Novelle dürfen Rechtsanwälte und Notare für nicht mehr als 25 Personen Sachwalter sein. Gleichzeitig können sie aber verpflichtet werden, bis zu fünf Sachwalterschaften zu übernehmen. Zwar gab es diese Verpflichtung laut Täubel-Weinreich schon vor der Novelle, doch mussten die Richter weniger darauf zurückgreifen.
Fachkanzleien müssen umstrukturieren
Schließlich gab es große Kanzleien, die sich auf Sachwalterschaften spezialisiert und hunderte von Fällen übernommen hatten. Doch die Sozietäten müssen sich jetzt umstrukturieren. "25 Fälle sind zu wenig, um die Kanzlei darauf aufzubauen", erklärt Gerhard Benn-Ibler, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags (Örak) im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Durch die Novelle hätte die Zahl der Sachwalterschaften eigentlich verringert werden sollen, indem einerseits die Vertretungsbefugnis der Angehörigen von geschäftsunfähigen Personen gestärkt wurde. Andererseits wurde die Möglichkeit eingeräumt, einer Person des Vertrauens vorsorglich eine Vollmacht einzuräumen für den Fall, dass man später einmal geschäftsunfähig wird.
Trotzdem nimmt die Zahl der Sachwalterschaften nicht ab - unter anderem weil die Menschen immer älter werden. In Österreich sind derzeit immerhin rund 85.000 Personen besachwaltert - Tendenz steigend.
Vorrangig stellen seit der Novelle die Sachwaltervereine Sachwalter zur Verfügung. Allerdings reichen die dortigen Ressourcen nicht aus, erklärt Richterin Täubel-Weinreich. Auch Rechtsanwälte, die sich nicht auf Sachwalterschaften spezialisiert haben, kämen nun zum Handkuss. "Das ist nahe einer Zwangsverpflichtung", beschwert sich Örak-Präsident Benn-Ibler.
Schlechte Aussichten auf eine Entlohnung
Das Problem dabei: Bei Sachwalterschaften ist oft sehr viel Spezialwissen gefragt, nicht nur in juristischer Hinsicht. Kanzleien mit anderen Schwerpunkten tun sich hier natürlich schwer - und bekommen darüber hinaus manchmal keinen Cent für ihre Tätigkeit.
Die Entlohnung eines Sachwalters bemisst sich nämlich nach dem Einkommen des Betroffenen. Laut Täubel-Weinreich bekommt der Sachwalter zwischen fünf und zehn Prozent des Jahreseinkommens des Besachwalterten - das aber auch nur, wenn dadurch nicht das Existenzminimum des Betroffenen gefährdet wird. Da es sich in den Fällen meistens um relativ arme Personen handelt, schauen die Rechtsanwälte oft durch die Finger.
Kein Wunder, dass viele Anwälte daher versuchen, sich vor der Übernahme von Sachwalterschaften zu drücken. Täubel-Weinreich kann das verstehen. Für einen Rechtsanwalt ohne Fachwissen in dem Bereich könne die Übernahme von Sachwalterschaften wegen mangelnder Entlohnung geschäftsschädigend sein. Die Richterin plädiert daher dafür, die Zahl der erlaubten Sachwalterschaften für entsprechend gut organisierte und spezialisierte Kanzleien wieder anzuheben. Auch die Rechtsanwälte haben die Gesetzesänderung schon öfters moniert. Das Justizministerium führt gerade eine Evaluierung des Sachwalterrechts durch.