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Gerichtsgebühren als Hürde zum Recht

Von Petra Tempfer

Politik
Der Deckungsgrad der österreichischen Justiz durch Gerichtsgebühren hat den europaweiten Rekordwert von 117 Prozent erreicht.
© adobe.stock/alex

Mit Ausnahme des Strafvollzugs nehmen Gerichte mehr über Gebühren ein, als der Betrieb kostet - das ist EU-weit einzigartig.


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Sie seien zu einer echten Hürde beim Zugang zum Recht geworden, heißt es im 45. Wahrnehmungsbericht des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (Örak): Die Rede ist von den Gerichtsgebühren, aufgrund derer sich viele den Gang zu Gericht gar nicht leisten könnten. Österreich steche hier EU-weit hervor, sagte Rupert Wolff, Präsident des Örak, am Dienstag bei der Präsentation des Berichts - im negativen Sinn. Es sei das einzige Land, in dem Gerichte mit Ausnahme des Strafvollzugs mehr über Gebühren einnehmen, als der Betrieb kostet.

Laut der im Herbst des Vorjahres veröffentlichten Studie der Europäischen Kommission für die Effizienz der Justiz (CEPEJ) hat der Deckungsgrad der österreichischen Justiz durch Gerichtsgebühren den europaweiten Rekordwert von 117 Prozent erreicht. Auf dem zweiten Platz folgt demnach die Türkei mit 62 Prozent, danach Deutschland und Malta mit jeweils 43 Prozent. Von 2010 bis 2016 sind hierzulande die jährlichen Einnahmen aus Gerichtsgebühren um 41 Prozent gestiegen - während sich der Verbraucherpreisindex in diesem Zeitraum um nur zwölf Prozent erhöhte.

Jährlich 107,30 Euro proPerson für das Gerichtssystem

In konkreten Zahlen nahm Österreich der Studie zufolge im Jahr 2016 1.099.812.161 Euro ein. Das Justiz-Budget lag bei 937.499.939 Euro. In Österreich werden somit jährlich 107,30 Euro pro Person für das Gerichtssystem ausgegeben. Der Europa-Durchschnitt liegt bei 64,50 Euro.

Eines der Hauptprobleme dabei sei die Methode, wie man Gerichtsgebühren berechnet, sagte Wolff. In Österreich sind für Zivilprozesse alleine in erster Instanz rund 1,2 Prozent zu bezahlen. Bei einem Zivilrechtsstreit über 100 Millionen Euro sind es somit 1,2 Millionen Euro. In Deutschland liegt die Gerichtsgebühr für denselben Rechtsstreit bei 329.208 Euro: Denn ab einem Streitwert von 30 Millionen Euro ist in Deutschland diese Deckelung vorgesehen. In Österreich gibt es das nicht.

Mit den Gerichtsgebühren-Novellen 2014 und 2015 wurden ab 2016 zwar Rechtsmittelgebühren vor allem in Exekutionsverfahren oder Pflegschafts- und Unterhaltssachen sowie die Gebühren für Firmenbuch-Abfragen gesenkt. Zuletzt beschloss der Nationalrat die Halbierung der Pauschalgebühr, wenn die Rechtssache in erster Instanz rechtswirksam verglichen wird. Wolff ist das alles aber noch zu wenig. Er forderte eine umfassende Reform des Gerichtsgebührengesetzes. Im Zuge dessen sollten der Automatismus der Inflationsanpassung abgeschafft und die Gerichtsgebühren bei hohen Streitwerten gedeckelt und insgesamt gesenkt werden.

Unverständlich erscheint in diesem Zusammenhang, dass in den vergangenen Jahren verstärkt bei Rechtspflegern, Kanzlei- und anderem nicht-richterlichen Personal eingespart wurde - aus Kostengründen. Die Justiz brauche nach diesem "Sparkurs" im Jahr 2020 um 90,6 Millionen Euro mehr, um den Status quo aufrecht zu erhalten, hieß es vor kurzem im Wahrnehmungsbericht von Justizminister Clemens Jabloner. Und das alles, obwohl die Anfallzahlen bei Gerichten stark rückläufig sind. Die Anzahl der Zivilprozesse (der Gattung C) zum Beispiel sank laut Justizministerium von 764.911 im Jahr 2002 auf 422.088 im Vorjahr.

Wie lässt sich das mit den hohen Gerichtsgebühren vereinbaren? "Beim Deckungsgrad von 117 Prozent ist ja der Strafvollzug nicht inkludiert. Die Kosten dafür fressen alles auf", heißt es dazu vom Örak: "Er wird durch Gebühreneinnahmen und Steuermittel mitfinanziert."

Amtsstunden imelektronischen Rechtsverkehr

Die Rechtsanwälte fordern insgesamt einen besseren Zugang zur Justiz, nicht nur durch Senken der Gerichtsgebühren, sondern etwa auch dadurch, dass postalisch und elektronisch gemachte Eingaben in allen Verfahren gleichbehandelt werden. Derzeit ist es Wolff zufolge nämlich so, dass bei Verwaltungsbehörden und -gerichten im elektronischen Rechtsverkehr die Amtsstunden einzuhalten sind. Die Eingaben gelten als verspätet, wenn sie zwar am letzten Tag der Frist, aber außerhalb der Amtsstunden eingebracht wurden. Eine am selben Tag um 23.59 Uhr zur Post (zum Beispiel am Hauptbahnhof) gebrachte Beschwerde gilt hingegen als rechtzeitig eingebracht, obwohl sie erst nach der elektronischen Eingabe einlangte. Ein bereits begutachteter Gesetzesentwurf zur Änderung des § 33 AVG sollte umgehend im Nationalrat behandelt und beschlossen werden, so Wolff.

"Gravierende Missstände" beanstanden die Anwälte auch bei Asylverfahren. Besonders Afghanen seien derzeit von einer Welle "willkürlich eingeleiteter" Verfahren zur Aberkennung subsidiären Schutzes betroffen, sagte der Wiener Anwalt Christian Schmaus am Dienstag. Häufig komme es zu Abschiebungen, obwohl Beschwerdeverfahren noch nicht abgeschlossen seien. Denn Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts können - auch bei Beschwerde dagegen - sofort exekutiert werden. Dass dies jetzt gehäuft "so zeitnah" erfolgt, führt Schmaus darauf zurück, dass das Bundesamt personell sehr gut ausgestattet ist, weil die Aufstockung nach der Flüchtlingswelle nicht zurückgenommen wurde.

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"Problematik der Befangenheit der Richter bei Asylverfahren"

Schmaus spricht zudem von der "Problematik der Befangenheit der Richter aufgrund weiter bestehender Zuständigkeit nach Behebung des Bescheids im Verwaltungsverfahren bei Asylverfahren". Das bedeutet: Wenn eine höhere Instanz einen Beschluss aufhebt, landet die Rechtssache wieder bei demjenigen, der bereits vorher für diese zuständig war. "Der Verdacht liegt nahe, dass eine objektive Neubewertung kaum mehr erwartet werden kann", so Schmaus. "Es stellt sich die Frage, inwieweit man von Unbefangenheit ausgehen kann."

Sabine Matejka, Präsidentin der Richtervereinigung, will das so allerdings nicht stehen lassen. "Dass die Rechtssache wieder beim vorher Zuständigen landet, ist auch in der ordentlichen Gerichtsbarkeit der übliche Zugang", sagt sie zur "Wiener Zeitung". "Eine problematische Befangenheit ist hier definitiv nicht gegeben."

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