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Brandstetter will "sozial verträgliche Gerichtsgebühren finden".
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"Wiener Zeitung": Haben Sie jemals einen Menschen nur aufgrund von medialer Berichterstattung für schuldig gehalten?
Wolfgang Brandstetter: Nein. Definitiv nicht.
Sie lassen sich nie beeinflussen?
Gerade als Strafverteidiger habe ich immer ein besonderes Problembewusstsein in Bezug auf mediale Vorverurteilungen gehabt, daher können Sie das bei mir sicher ausschließen.
2013 war das Jahr der aufsehenerregenden Verfahren gegen (Ex-)Politiker, einige wurden, wie Sie ja wissen, eingestellt. Ist es legitim, von Politikern die Einhaltung höherer Grundsätze einzufordern, auch wenn es sich nicht zwingend um strafrechtlich relevante Ansprüche handelt?
Vor dem Strafrecht sind alle gleich, da dürfen die Anforderungen nicht unterschiedlich sein. Und zu Einzelfällen kann und darf ich nichts sagen.
Danach habe ich Sie auch nicht gefragt. Mir geht es um die Frage, ob man nicht an Politiker höhere moralische Ansprüche stellen können muss als an andere Menschen.
Ich verstehe, dass die Öffentlichkeit und insbesondere die Medien an Politiker höhere moralische Anforderungen stellen. Diese Differenzierung schlägt auch auf das Recht durch, da im Medienrecht Personen des öffentlichen Interesses mehr Beeinträchtigungen der Privatsphäre hinnehmen müssen als jemand, der nicht in der Öffentlichkeit steht. Unter diesem Aspekt ist die Differenzierung gerechtfertigt, aber vor dem Strafrecht sind alle gleich.
Sie haben mit Ihrer Ankündigung, das Weisungsrecht abschaffen zu wollen, bereits für Aufsehen gesorgt. Welche Alternativen gibt es aus Ihrer Sicht dazu?
Es gibt eine Reihe von Vorschlägen, die schon auf dem Tisch liegen. Jetzt geht es darum, diese zusammenzufassen und auf ihre verfassungsrechtliche Durchführbarkeit zu überprüfen. Dazu wird eine Expertengruppe mit Beginn 2014 ihre Arbeit aufnehmen. Der Prozess in der Gruppe wird ergebnisoffen sein. Wobei: Das Weisungsrecht an sich ist ja nicht wirklich das Problem. Niemand kann ernsthaft glauben, dass das Weisungsrecht in Österreich missbraucht wird oder in der letzten Zeit missbraucht wurde. Aber die Öffentlichkeit verknüpft das Vertrauen in die Justiz damit. Allein die Existenz der aktuellen Regelung steht einem optimalen Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz entgegen. Das zu ändern ist meine Aufgabe als Minister.
Vertrauen Sie darauf, dass die nicht-parteifreien Regierungskollegen auf die Experten hören?
Wenn es einen konkreten Vorschlag der Expertengruppe gibt, werde ich mich darum bemühen, dass ich dafür eine Mehrheit bekomme. Da bin ich sehr optimistisch. Ich will aber nicht nur in der Regierung, sondern auch darüber hinaus einen breiten Konsens haben. Darum sollte man sich in der Justiz immer bemühen, weil es so eine sensible Materie ist.
Laut Regierungsprogramm soll ein Schwerpunkt im Bereich Wirtschaftskriminalität gesetzt werden. Nun ist aber die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft eine der wenigen Behörden, wo es zig unbesetzte Planstellen gibt - entweder weil zu wenige Personen qualifiziert sind oder weil sich niemand die anstrengende Arbeit unter hohem öffentlichen Druck antun will. Wie wollen Sie die Arbeit der WKStA attraktiver gestalten?
Die Erhöhung der Attraktivität dieses Tätigkeitsbereichs hängt nicht nur von Planstellen und budgetären Mitteln ab. Es gibt etwa auch den Master-Lehrgang zum Thema für Justizbedienstete. Da ist eine neue Generation von Richtern und Staatsanwälten herangewachsen, der sehr viel zuzutrauen ist. Es dauert aber eine Zeit, bis sich das einspielt. Wir sind uns des Problems bewusst und wir werden im Sinne der Verfahrensbeschleunigung an verschiedenen Stellen ansetzen müssen. Aber die WKStA arbeitet hervorragend - und zwar mit eingeschränktem Weisungsrecht: Sie müssen erst zum Abschluss eines Verfahrens Bericht erstatten.
Ebenfalls im Regierungsprogramm findet sich die Reform der Strafprozessordnung noch 2014. Seit der Reform 2008 gibt es immer wieder Kritik - auch und vor allem von Strafverteidigern - an der Abschaffung der Untersuchungsrichter. Wird sich daran etwas ändern?
Es gibt dazu viele Überlegungen. Ich konnte noch nicht alle Vorschläge der Arbeitsgruppe zur Strafrechtsänderung 2015 lesen.
Aber als Strafverteidiger kennen Sie die andere Seite: Können Sie sich vorstellen, dass es wieder Untersuchungsrichter gibt?
Eine Rückkehr zu exakt der Regelung, die schon gegolten hat, kann sich niemand wirklich vorstellen. Aber wir müssen durchaus darüber reden, wie man den Rechtsschutz im Verfahren verstärkt, wofür der Untersuchungsrichter ja ursprünglich gedacht war. Für diese Diskussion bin ich jederzeit offen.
Soll der Staatsanwalt prinzipiell Herr des Verfahrens bleiben?
Das ist derzeit so. Es gibt aber Probleme, die man lösen muss. Zum Beispiel bei der Bestellung der Sachverständigen: Ein Sachverständiger, der für die Staatsanwaltschaft arbeitet, kann in der Hauptverhandlung nicht ohne Weiteres völlig unbefangen für das Gericht arbeiten. Da wird man eine Lösung finden müssen.
Ein weiteres leidiges Thema ist das der Gerichtsgebühren, deren Höhe von der Rechtsanwaltskammer immer wieder scharf kritisiert wird. Kann man da auch in Zeiten des Budgetlochs auf eine Senkung hoffen?
Es gibt im Justizbereich verschiedenste Arten von Gebührenbelastungen, die nicht alle gleich sozial verträglich sind. Ich kann mir vorstellen, dass man langfristig da oder dort Umschichtungen vornimmt.
Was meinen Sie damit?
Ich bin offen für Vorschläge zur Umschichtung von Gebühren im Sinn einer sozialen Verträglichkeit. Und es gibt ja mit der Verfahrenshilfe bereits Möglichkeiten, die Belastung des Einzelnen durch entsprechende öffentliche Unterstützung zu reduzieren.
Wolfgang Brandstetter: Der 56-jährige Niederösterreicher ist seit 16. Dezember auf einem Ticket der ÖVP parteifreier Justizminister. In der Volkspartei ist er tief verwurzelt, er war auch schon einmal Gemeinderat in seiner Wohngemeinde Eggenburg. Der fachlich hoch angesehene Strafrechtsprofessor vertrat bereits Kanzler Werner Faymann in der Inseratenaffäre und den kasachischen Ex-Botschafter Rakhat Alijew, gegen den Mordermittlungen laufen. Letzteren soll er bei sich zu Hause gemeldet haben. Brandstetter will zu diesen Fällen nichts sagen.
Er ist verheiratet und hat drei Kinder.