Rechtsanwälte fordern Gesetzesänderung.
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Wien. Wer sein Unternehmen ins Firmenbuch eintragen oder sich scheiden lassen will, muss künftig mehr zahlen: Gerichtsgebühren mit fixen Euro-Beträgen wurden mit 1. Oktober um rund fünf Prozent erhöht. Damit kostet eine einvernehmliche Scheidung beispielsweise 279 Euro statt wie bisher 266 Euro. 2008 waren lediglich 198 Euro fällig. Die Eingabe in Grundbuchsachen schlägt mit 42 Euro zu Buche, bisher wurden 40 Euro verlangt.
Erhöht werden die Gebühren, weil sie gesetzlich an den Verbraucherpreisindex gekoppelt sind. Übersteigt die Inflationsrate seit der letzten Erhöhung fünf Prozent, muss das Justizministerium die Gebühren anheben. Das war das letzte Mal im Jahr 2011 der Fall. Dass die Änderung nun rund um die Nationalratswahl passiert, sei zufällig, versichert man im Justizministerium: Von März 2011 bis Mai 2013 habe die Inflationsrate 5,05 Prozent betragen, und mit Oktober musste die Änderung in Kraft treten.
"Versteckte Steuer" versus "Wer streitet, muss zahlen"
Von der Optik her ist der Zeitpunkt der Änderung unglücklich, meinen Kritiker: "Es sieht so aus, als würden die Gebühren im Windschatten der Nationalratswahl erhöht", sagt Rupert Wolff, Präsident der Österreichischen Rechtsanwaltskammer (ÖRAK). Die ÖRAK spricht sich gegen höhere Gerichtsgebühren aus, mit denen eine "versteckte Steuer" kassiert werde. Präsident Wolff fordert eine Änderung des Gerichtsgebührengesetzes, sodass die Gebühren seltener erhöht werden. Bis 2009 lag der Schwellenwert nämlich bei zehn Prozent, dieser wurde aber im Zuge des Budgetbegleitgesetzes halbiert.
880 Millionen Euro wurden im Vorjahr an Gerichtsgebühren eingenommen, rund 200 Millionen davon sind von der Erhöhung betroffen. Ein großer Brocken kommt über das Grundbuch herein. Die Zahl der Geschäftsfälle liegt bei rund drei Millionen und ist leicht im Sinken. Für Kritiker ist das ein Indiz, dass die Höhe der Gerichtsgebühren bereits abschreckend wirkt. "Unangemessen hohe Gerichtsgebühren können dazu führen, dass der Zugang zu Gericht beschränkt oder verhindert wird", hat der Oberste Gerichtshof 2010 gewarnt.
Österreichs Justiz (ohne Strafvollzug) finanziert sich zu 110 Prozent aus Gerichtsgebühren, der europäische Durchschnitt liegt bei 22 Prozent, wie die aktuelle Studie der European Commission for the Efficiency of Justice (CEPEJ) des Europarates mit Daten von 2010 ergeben hat. Mit einer Gebühr wird die Leistung einer Behörde abgegolten, tatsächlich werde aber mehr eingenommen als der Betrieb kostet, so die Schlussfolgerung der ÖRAK.
"Die Justiz macht keinen Gewinn", betont hingegen Christian Wigand, Sprecher von Justizministerin Beatrix Karl: 75 Prozent der Justizkosten (inklusive Strafvollzug) werden über Gerichtsgebühren gedeckt, der Rest werde über das Budget finanziert.
Bei der Finanzierung der Justiz prallen unterschiedliche Ansichten aufeinander: "In Österreich wird die Justiz von jenen finanziert, die sie nützen. In anderen Ländern zahlt der Steuerzahler", sagt Wigand. "Strafvollzug hat nichts mit Zivilgerichtsbarkeit zu tun", meint hingegen Wolff. "Man kann von jemandem, der sich scheiden lassen will oder das Besuchsrecht für seine Kinder erlangen will, nicht verlangen, den Strafvollzug zu finanzieren." Der Steuerzahler habe Anspruch auf Zugang zu Recht, ohne übermäßig hohe Kosten zahlen zu müssen.
Ein Antrag auf Besuchsrecht eines Kindes nach einer Scheidung der Eltern war bis 2008 beispielsweise kostenlos, seit 2009 wurde eine Gebühr von 116 Euro eingeführt, die nun auf 128 Euro steigt. Die Abfrage eines Grundbuchauszuges kostet nun 13,70 Euro. Zum Vergleich: 2008 lag die Gebühr noch bei 8 Euro.
Gebühren-Obergrenze bei hohen Streitwerten gefordert
"Die Anhebung trifft nicht nur Privatpersonen, sondern auch Unternehmen und Investoren", sagt Wolff. Die Eingabengebühr im Firmenbuch für Einzelunternehmen steigt von 16 Euro auf 17 Euro, für GmbHs von 30 auf 32 Euro.
Bei einem zivilgerichtlichen Verfahren mit einem Streitwert von 280.000 Euro bis 350.000 Euro betragen die Gerichtsgebühren 6949 Euro, bisher waren es 6615 Euro. Bei einem höheren Streitwert werden 1,2 Prozent vom Streitwert zuzüglich 2987 Euro eingehoben. "Angesichts der Immobilienpreise in Wien ist ein Streit über den Kauf einer Eigentumswohnung für einen Normalverdiener nicht leistbar", sagt Wolff. Er fordert Gebühr-Obergrenzen bei hohen Streitwerten und verweist auf den Zivilprozess der Stadt Linz und der Bawag, wo allein fünf Millionen Euro an Gerichtsgebühren anfallen würden.
Ebenfalls teurer werden Kopien bei Gericht: Während die Kosten mit 2012 von damals 1,10 Euro für vom Gericht angefertigte Kopien auf 60 Cent gesenkt wurden, steigen sie nun wieder auf 63 Cent. Wer selbst kopiert, zahlt nun 32 Cent pro Seite. Kostenlos ist nur, die Akten selbst mit einer Kamera oder einem Mobiltelefon zu fotografieren.