Die EZB revidiert die Wachstumsprognose für die Eurozone auf 1,4 Prozent.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Frankfurt. Wirkt denn die monetäre Politik der Europäischen Zentralbank überhaupt?, wird der Chef der Institution, Mario Draghi, am Donnerstag bei seiner Pressekonferenz gefragt. Denn obwohl die EZB seit Jahren "alles in ihrer Macht Stehende" tut, um die Finanzkrise in der Eurozone auszumerzen, scheint sich die wirtschaftliche Situation nicht deutlich gebessert zu haben.
Doch, sagt Mario Draghi. Die Kreditvergabe läuft wieder an - ein Zeichen dafür, dass der wirtschaftliche Motor wieder anspringt. In Zahlen sieht das so aus: Das Volumen von Krediten an Unternehmen (die keine Finanzdienstleister sind) ist im Juli um 0,7 Prozent gewachsen - nach nur 0,2 Prozent im Juni. Das bedeutet, dass die monetäre Politik der EZB in der Eurozone funktioniert, sagt Mario Draghi. Aber: "Dann gibt es noch den Rest der Welt." Und eben die wirtschaftlichen Entwicklungen der übrigen Welt legen die Sorgenfalten in Frankfurt wieder ein Stück tiefer.
Es gebe neue, große Risiken für die Weltkonjunktur, lautet das Fazit der Pressekonferenz von Mario Draghi. Die sogenannte Erholung der Weltwirtschaft würde zwar vorangehen, aber schwächer als gedacht und mit erheblichen Abwärtsrisiken behaftet. Grundsätzlich ist die EZB noch im Juni davon ausgegangen, dass die Eurozone 2015 um 1,5 Prozent wächst. Das wird nur noch schwer zu verwirklichen sein. "Das Wirtschaftswachstum der Eurozone war im zweiten Quartal 2015 mit 0,3 Prozent geringer als erwartet", gibt Draghi zu. Deswegen revidiert die EZB ihre Wachstumsaussichten um einen Zehntelpunkt nach unten: Heuer werde die Eurozone nur um 1,4 Prozent wachsen, im nächsten Jahr um 1,7 Prozent; 2017 sollen es dann 1,6 Prozent sein.
Gedämpft wird die Entwicklung laut Draghi vor allem aufgrund der wirtschaftlichen Krisen in den Schwellenländern, die an der Weltkonjunktur nagen. Brasilien etwa wird dieses Jahr ein Minus von zwei Prozent verzeichnen, China machte zuletzt immer wieder Schlagzeilen wegen der spektakulären Einbrüche an seinen Börsen.
Auch der Währungsfondssieht wachsende Risiken
Schon der Internationale Währungsfonds erklärte in einer am Mittwoch veröffentlichten Prognose, dass das lahmende Wachstum in China "stärker als avisiert grenzüberschreitende Auswirkungen" habe. China und die zunehmenden Schwankungen an den Finanzmärkten könnten sich erheblich auf den Ausblick auswirken, hieß es. Die in dem IWF-Papier aufgelisteten Risiken reichen von einem stärkeren Dollar und dem Währungsverfall in mehreren Schwellenländern über fallende Rohstoffpreise bis hin zum schwächeren Kapitalzufluss.
Zudem waren die Jobdaten aus den USA zuletzt so enttäuschend, dass angenommen wird, dass die US-Notenbank doch länger mit der Zinswende zuwarten wird.
Auch die EZB ließ - wie erwartet - den Leitzins auf dem historischen Tief von 0,05 Prozent. Außerdem will man das Anleihen-Kaufprogramm ausweiten. Die Käufe im Umfang 60 Milliarden Euro pro Monat werden jedenfalls, wie anfangs kalkuliert, bis Ende September 2016 durchgeführt, "oder länger, wenn notwendig". Das ist das erste Mal, dass diese Tür von Draghi so deutlich aufgemacht wurde.
Zudem lässt die EZB die Schranke des maximal 25-Prozent-Ankaufs bei Staatsanleihen fallen: Dort, wo man damit keine Sperrminorität erlangt, will die EZB künftig bis zu 33 Prozent an einer Tranche von Staatsanleihen ankaufen. Zu dieser Entscheidung sei man bei der halbjährlichen internen Überprüfung des Anleihenkaufprogrammes gekommen.
Die Inflation der Eurozone wandelt wieder auf einem gefährlichen Niedrigstand: Die Teuerungsrate in der Eurozone betrage laut Prognose jetzt nur noch 0,1 Prozent für 2015, erklärt Draghi. Müsse man sich Sorgen machen, dass es zu einer Deflation komme, also einem Preisverfall? "Wir sehen in der nächsten Zeit vielleicht Inflationsraten im Minusbereich", gibt Draghi zu. Das sei wohl vorübergehend aufgrund der niedrigen Ölpreise. Falls es aber ein sich verfestigender Trend ist, betont Draghi einmal mehr die "Bereitschaft und die Kapazität", dagegen vorzugehen.
Der Italiener nutzte die Pressekonferenz auch, um zu sagen, er sei, wie jeder Europäer, entsetzt über die Flüchtlingstragödien, die sich an den europäischen Grenzen abspielten. Es sei zwar nicht Sache der EZB, Politik zu machen, aber er möchte seine tief empfundene Anteilnahme ausdrücken.