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Die Beteiligung an den Wahlen zum Studentenparlament hatte zuletzt 1997 einen historischen Tiefstand von weniger als 30 Prozent österreichweit erreicht. Ist deshalb an eine Abschaffung der | Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) zu denken?
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Das Interesse der Studierenden, jene zu bestimmen, die die Stimme in ihrem Namen erheben sollen, hält sich in engen Grenzen. Das Interesse bei Wahlen zu anderen Interessenvertretungen ist ähnlich
bescheiden. "Keine Zeit", "Interessiert mich nicht" oder "Ich weiß nicht, wen ich wählen soll", lauten vielfach die Begründungen.
Sich doch zahlreich am Urnengang zu beteiligen, da ansonsten die Frage nach der Legitimation der Studentenvertretung zu stellen sei, appellierten gestern Wissenschaftsminister Caspar Einem und
zuletzt beim ÖH-Zukunftssymposium der für das Hochschulwesen zuständige Sektionschef, Sigurd Höllinger.
"In einer entwickelten Demokratie ist eine geringe Wahlbeteiligung eigentlich kein Thema", befindet Peter Gerlich vom Institut für Staats- und Politikwissenschaften. Es gebe eben viele Studenten, die
"nicht ernsthaft" studieren. "Da haben wir noch immer zu wenig Kontrollen", wie Gerlich gegenüber der "Wiener Zeitung" betont.
Jugendliche sind seiner Ansicht nach keineswegs "unpolitisch", sondern sehr wohl informiert. Nur: "Sie lassen's nicht so raushängen" und artikulierten weniger als früher. Ihr vordergründiges
Engagement sei geringer als jenes der 68er-Generation, so Gerlich. Außerdem: Je selbstverständlicher etwas sei, umso geringer sei der Anreiz, mitbestimmen zu wollen. "Wenn's nichts bringt", zitiert
der Politologe eine Theorie der Ökonomie, "ist es nicht rational, wählen zu gehen." Das demonstriere auch das geringe Interesse an den EU-Wahlen. Das Europäische Parlament sei nicht einflußreich, und
Teile der Bevölkerung wüßten auch nicht, "worum's geht", glaubt der Politikwissenschafter. Umgekehrt größer sei das Interesse auf Gemeindeebene; mit den hier gefällten Entscheidungen könnten die
Wähler etwas anfangen.
Abgeschafft werden sollte die Studentenlobby dennoch nicht. Bei der Urabstimmung 1991 hat sich eine satte Mehrheit der Studierenden von 80 Prozent (auch hier gingen rund 30 Prozent wählen) für die
Beibehaltung und die Pflichtmitgliedschaft der Hochschülerschaft ausgesprochen. Als Dekan der Grund- und Integrativwissenschaftlichen (Gruwi) Fakultät habe er die Erfahrung gemacht, daß es von
Vorteil sei, wenn die Studierenden mitreden. "Die Studenten sind nie wirklich daneben gelegen, irgendwie haben sie meist recht" · im Gegensatz zu den Vertretern des Mittelbaus (Lektoren,
Assistenten), die oft gewerkschaftliche Interessen vertreten würden, sagt Gerlich.
Die Massenuniversität erleichtert die Situation nicht gerade. Verstärkt wird die Problematik um einen angespannten Arbeitsmarkt. Man müsse daran arbeiten, daß sich die Beziehung zwischen den
Studierenden und deren Vertretern verbessere. Wenn sich nur ein paar engagieren, bestehe nämlich die Gefahr, daß die Lobby "nicht mehr die Interessen der Studierenden vertritt" und ihre Politik sich
verselbständige, gibt Gerlich zu bedenken. Daß der Ministeriums-Vorstoß, die Studienpläne an der Technischen Uni in Wien zu straffen, von der ÖH abgelehnt wurde, habe er zum Beispiel nicht
verstanden. "Was hat man für ein Eigeninteresse daran, nicht kürzer zu studieren?"