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Gerissene Befehlskette

Von Reinhard Göweil

Leitartikel

Generalstabschef Entacher abzuberufen war richtig. Nun mag es zur Abschaffung der Wehrpflicht unterschiedliche Auffassungen geben, die in der Politik auch diskutiert werden. Aber dass sich Militärs in dieser Form in die politische Debatte einmischen und den zuständigen Minister zum Rücktritt auffordern, war unerträglich.


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Ein Heer funktioniert über weite Strecken als Befehlskette von oben nach unten. Was hätte wohl einer der jetzt protestierenden Offiziere gesagt, wenn ein Soldat öffentlich erklärte, ein geplantes Manöver sei vollkommen unsinnig, die dafür zuständigen Generäle mögen doch abtreten? Er hätte ein Verfahren am Hals.

Welcher Teufel die Offiziere in ihrer Gesellschaft dabei geritten hat, sei dahingestellt. Aber sie - und der Kreis geht ja weit über Entacher hinaus - sollten sich eines hinter die Ohren schreiben: In welcher Struktur sie arbeiten, ist in jeder Demokratie eine politische Angelegenheit. Nur in Diktaturen kann das Militär die Politik dominieren. Dem Verteidigungsminister "stalinistische Methoden" vorzuwerfen, nur weil der nicht von vornherein tut, was die Offiziersgesellschaft gerne hätte, machte Gänsehaut.

Es wäre trotz Entacher-Entmachtung angebracht, wenn der offiziell höchste Befehlshaber des Heeres, Bundespräsident Heinz Fischer, auch noch klare Worte finden würde.

Am 3. Februar wird über das Thema Wehrpflicht im Landesverteidigungsausschuss diskutiert. Dort gehört es auch hin, den Abgeordneten soll Norbert Darabos Rede und Antwort stehen. Wenn Mitglieder der Offiziersgesellschaft diese Abgeordneten über Einwände informieren - auch gut. Aber die Rücktrittsforderung ging eindeutig zu weit.

Institutionen, die sich in einem solchen Ausmaß verselbständigen, stellen sich selbst in Frage. Perfiderweise (und vermutlich so gar nicht gewollt) unterstützen sie aber die Gegnerschaft einer Abschaffung der Wehrpflicht: Ob solche Offiziere die geeigneten Qualifikationen für ein Berufsheer mitbringen, muss doch stark bezweifelt werden. Und da es in Österreich immer noch 180 Generäle gibt, während die zehnmal so große deutsche Bundeswehr mit 200 auskommt, hat Darabos wohl noch einiges vor sich...