Österreich haftet für 35 Prozent des BIP. Fiskalratschef Bernhard Felderer fordert eine Reduktion auf ein verträgliches Maß.
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Wien. Österreich weist innerhalb der 28 EU-Staaten mit 35,01 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) den höchsten Prozentsatz an Garantien des Staatssektors auf, berichtete Eurostat am Dienstag. Zum ersten Mal hat das statistische Amt der Europäischen Union damit Informationen zu Eventualforderungen und notleidenden Krediten des Staatssektors bekannt gegeben - die Zahlen stammen von 2013. Interessanterweise hat nur Irland mit 32,14 Prozent des BIP einen ähnlich hohen Wert an Haftungen. Finnland liegt mit 24,08 Prozent schon deutlich darunter. Den geringsten Anteil weist Litauen mit lediglich 0,82 Prozent des BIP auf.
Die Veröffentlichung dieser Indikatoren ist Teil der EU-Sparvorgaben, des "Six-Pack" - wo eben neben den maastrichtrelevanten Kriterien, Budgetdefizit und Staatsschulden auch Haftungen, notleidende Kredite und Ähnliches beurteilt werden.
In Österreich machen demnach die staatlichen Haftungen für zusätzliche Verbindlichkeiten 113 Milliarden Euro aus - neben den Schulden von 262 Milliarden Euro. Bernhard Felderer, der Vorsitzende des Fiskalrats, führt die im EU-Vergleich extrem hohen Haftungen Österreichs auf die politische Kultur des Landes zurück. Ihm zufolge gibt es in Österreich nahezu keinen Skilift, für den nicht ein Land zumindest für einen großen Teil die Haftung übernommen hat. "Es gibt sehr viele Aktivitäten, in denen der Staat mitmischt. Teilweise sind diese Haftungen notwendig gewesen, um Aktivitäten zu fördern", sagt Felderer. Ein Beispiel: Der Sportverein einer Gemeinde benötigt eine Halle. Die Gemeinde unterstützt das Projekt. Das Land übernimmt eine Förderung und eine Haftung. "Es gibt also positive Effekte in den Gemeinden", sagt Felderer und warnt gleichzeitig davor, das auf die Spitze zu treiben. "Wir sind bei diesen Haftungen sehr weit gegangen und haben vielleicht - ich unterstreiche vielleicht - damit sogar Privatinitiativen verdrängt", sagt der Ökonom zur "Wiener Zeitung". Österreich sei mit seinen Haftungen zu weit gegangen. Felderer plädiert daher dafür, dieses System nun verträglich zurückzufahren. Es geht darum, das Gesamtrisiko abzuschätzen - und das ist zu hoch geworden."
Wenig Risiko beinotleidenden Krediten
Bei den notleidenden Krediten steht Österreich im EU-Vergleich aber komfortabel da. Ein Kredit wird als notleidend bezeichnet, wenn für Zins- oder Tilgungszahlungen der Fälligkeitstermin seit mehr als 90 Tagen verstrichen ist. Österreich hat hier nur ein Volumen von 0,08 Prozent des BIP im EU-Vergleich; negativer Spitzenreiter ist Irland mit 11,4 Prozent. Ungarn hat mit 0,05 Prozent des BIP deutlich weniger, Deutschland kommt auf 0,29 Prozent.
Immerhin hat Österreich mit dem von Felderer geforderten Abbau der Haftungen teilweise schon begonnen. Bund, Länder und Gemeinden haben ihre Haftungen seit 2010 massiv abgebaut, wie die Zahlen der Statistik Austria zeigen. Allerdings entfällt das Minus vor allem auf Bankenhaftungen - ihre sonstigen Haftungen haben Länder und Gemeinden ausgebaut.
Demnach haben Bund, Länder und Gemeinden 2010 noch für zusätzliche Schulden von 157 Milliarden Euro (53,4 Prozent des BIP) gehaftet, 2013 waren es nur noch rund 113 Milliarden Euro (35 Prozent des BIP). Besonders stark gesunken sind die Bankenhaftungen (Minus 47 Prozent).
Interessant ist allerdings, dass Länder und Gemeinden (inklusive Wien) ihre Bankenhaftungen zwar reduziert, Haftungen für andere Unternehmen aber ausgedehnt haben: die Länder um 42 Prozent auf 12,2 Milliarden Euro, die Gemeinden um 23 Prozent auf 6,5 Milliarden Euro. Ein Rohbericht des Rechnungshofs kritisiert aktuell außerdem, dass die Länder ihre Verpflichtungen durch Risikogewichtung kleinrechnen.
Der Fiskalrat, der die EU-Budgetregeln in Österreich überwacht, fordert eine klare Darstellung der Fremdwährungs-Risiken der Länder und Gemeinden und kritisierte ebenso wie der Rechnungshof die Risikogewichtung, mit der Haftungen kleingerechnet werden. Außerdem kritisierte Felderer einmal mehr, dass die Rechnungslegung von Ländern und Gemeinden noch immer nicht vergleichbar sei.
Aktiva höher als Verbindlichkeiten
Die Statistik Austria weist auch den beachtlichen Schuldenstand der Staatsunternehmen aus: Sie standen 2012 mit insgesamt 116,8 Milliarden Euro in der Kreide. Dezidiert weist die Statistik Austria aber auch die deutlich größeren Vermögenswerte von 182,1 Milliarden Euro (Aktiva) aus, die diesen Verbindlichkeiten gegenüberstanden. Mehr als die Hälfte der Schulden entfällt (wegen der hohen Verbindlichkeiten der Landesbanken) auf Landesunternehmen (57,6 Milliarden Euro). Die Schulden der Bundesfirmen liegen bei 44,1 Milliarden Euro, jene von Gemeindeunternehmen bei 15 Milliarden Euro.
Ebenfalls bewertet hat die Statistik Austria die Firmenbeteiligungen des Staates: Insgesamt hielten Bund, Länder und Gemeinden 2012 Anteile an Unternehmen und Investmentfonds im Wert von 55,7 Milliarden Euro, davon 37,5 Milliarden Euro an Großunternehmen. 2013 ist der Wert der Staatsbeteiligungen auf 50,5 Milliarden Euro gesunken.