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Geschädigte AvW-Anleger steigen gegen die Republik in den Ring

Von Kid Möchel

Wirtschaft

Für die 12.500 AvW-Opfer startet heute der wichtigste Entschädigungsprozess.


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Wien. Rund um die 350-Millionen-Euro-Anlagebetrugsaffäre des Kärntner Beteiligungskonglomerats AvW von Wolfgang Auer-Welsbach wird es noch einmal spannend. Zwar sitzt Mastermind Auer-Welsbach seit mehr als eineinhalb Jahren hinter Gittern, acht Jahre Haft hat er ausgefasst, doch erst heute, Mittwoch, startet der wichtigste Prozess zur Entschädigung der 12.500 AvW-Anleger. Am Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien beginnt das Amtshaftungsverfahren gegen die Republik Österreich, die für angebliche Fehler der Bundeswertpapieraufsicht (BWA) und ihrer Nachfolgeorganisation Finanzmarktaufsicht (FMA) den Kopf hinhalten muss.

Zwecks Prozessökonomie wurden vier Amtshaftungsklagen zusammengelegt, die die Anlegeranwälte Harald Christandl, Erich Holzinger, Gerd Mössler und Andreas Pascher für AvW-Opfer eingebracht haben. Detail am Rande: Christandl hat zugleich der ehemaligen AvW-Hausbank Raiffeisen Bezirksbank Klagenfurt den Streit verkündet.

Außerdem hat das Wiener Gericht den Grazer Sachverständigen Fritz Kleiner, dessen Expertise zur Verurteilung von Auer-Welsbach im Strafprozess geführt hat, zum Gutachter bestellt - mit Zustimmung der Finanzprokuratur, der Anwaltskanzlei der Republik.

In ihren Klagen fahren die Anwälte schwere Geschütze auf. Denn die Geschädigten können sich auf eine Vielzahl an Akten, Prüfberichten sowie auf das Strafgutachten Kleiners stützen.

Gravierende Vorwürfe

So zählen die Anwälte Christandl und Holzinger seitenweise mutmaßlich schwere Verfehlungen der Behörde auf. Demnach hegte die BWA bereits Anfang Mai 2000 den Verdacht, dass AvW einen Aktienhandel ohne erforderliche Bankenkonzession betreibe.

Eine Woche später fiel den BWA-Mitarbeitern bei einer Vorort-Prüfung auf, dass es seit 1995 keinen Kursrückgang, sondern nur eine beträchtliche Kursentwicklung nach oben gibt. Eine mögliche Kursmanipulation soll somit im Raum gestanden sein und ein Interessenkonflikt. Denn AvW soll Finanzgeschäfte getätigt haben, die überhaupt erst zur Kursbildung des Genussscheins geführt haben.

Mitte Oktober 2000 ortete die Aufsichtsbehörde laut Aktenlage ein unzulässiges Einlagengeschäft, einen konzessionslosen Handel mit Wertpapieren auf eigene Rechnung und eine Manipulation bei der Kursbildung.

Im Jänner 2001 wurden in einem Protokoll weitere Auffälligkeiten festgehalten. Dazu zählte das Rückverkaufsrecht, die Kapitalgarantie, die Bilanzierung des Genussscheinkapitals als Eigenkapital, das "Ertragsziel von 12 bis 18 Prozent als Sparhit" sowie die unnachvollziehbare Kursbildung.

Im Februar 2001 kündigte die AvW "Restrukturierungsmaßnahmen an, die Verstöße wurden danach angeblich nicht weiter verfolgt. "Die schwerwiegenden Beanstandungen wurden der Restrukturierung geopfert", wettert Christandl. Den Vogel schoss aber im April 2001 der damalige Rechtsabteilungschef der BWA ab, der trotz der massiven Verstöße, keine Strafanzeige erstattete, weil er die Suppe für zu dünn hielt.

Auch die BWA-Nachfolgerin FMA hat Ende November 2005 bei AvW einen illegalen Handel mit Wertpapieren festgestellt, sich aber hinhalten lassen, und erst im Jänner 2007 ein Straferkenntnis erlassen. "Die aufgezeigten Missstände, die zur Verurteilung von Auer-Welsbach im Jänner 2011 geführt haben, waren der BWA bzw. FMA ab dem Jahr 2000 bekannt", behauptet Anwalt Holzinger. Aber sie haben keine rechtlichen Konsequenzen gezogen und "jede Kontrolltätigkeit gänzlich unterlassen beziehungsweise grob fahrlässig durchgeführt".