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Geschäfte mit den Erben Ho Chi Minhs

Von Klaus Huhold aus Hanoi

Politik

Beim Besuch von Außenminister Schallenberg in Vietnam überschneiden sich die Interessen: Österreich will Geschäfte machen und Vietnams KP braucht Investoren - auch, um ihre Herrschaft zu sichern.


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Selbst der Luxus ist hier schon eingezogen: In der Innenstadt von Hanoi reihen sich rund um die noch von den französischen Kolonialherren mit viel Stuck im neoklassizistischen Stil erbaute Oper die Geschäfte von teuren Marken wie Prada, Boss und Hermes aneinander. Und im Garten des noblen Hotel Metropole sieht man die neue Oberschicht mit Zigarre und Hugo-Boss-Poloshirt beim Frühstück sitzen.

Die Kommunistische Partei hat sich von der reinen Lehre ihres Gründers und Übervaters Ho Chi Minh entfernt und den Kapitalismus Einzug halten lassen. Mitte der 1980er hat sie nach Hungerkrisen den "Doi Moi", den Weg der Erneuerung, eingeschlagen. Woran sie aber seitdem eisern festgehalten hat, ist ihr alleiniger Machtanspruch im Ein-Parteien-Staat. Davon zeugen die Plakate mit Hammer und Sichel und die roten Spruchbänder mit Parolen der Partei, die sich ebenfalls in vielen Straßen finden lassen.

Die in Parteiakademien in Marxismus-Leninismus und historischen Widersprüchen geschulten Kader führen hier einen Kapitalismus, in dem man auch ärmliche Obstverkäuferinnen sieht, die schwer beladen mit ihren Körben durch Parkanlagen ziehen, um das Nötigste zu verdienen. In dem aber insgesamt die Armut enorm reduziert wurde, weil in diesem System nicht nur reiche Gewinner der Transformation ihren Platz haben, sondern auch Millionen Menschen aus der Armut in die Mittelschicht gehoben wurden.

Auf der Suche nach Märkten

In dieses aufstrebende Land, dem für dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von 6,8 Prozent prognostiziert wird, ist nun Außenminister Alexander Schallenberg gereist, um mehrere Minister und Premier Pham Minh Chinh zu treffen. Er reiht sich damit in eine Reihe westlicher Politiker ein: Der Besuch von US-Außenminister Antony Blinken ging zu Ende, als Schallenberg kam. Auch der deutsche Kanzler Olaf Scholz war Ende vergangenen Jahres da.

Bei seinem ersten Treffen mit seinem Amtskollegen Biu Thanh Son, der selbst erst vor kurzem in Wien war, begrüßte Schallenberg diesen gleich als "Freund und Kollegen". Und auch Biu meinte, dass diese Visite die "traditionelle Freundschaft" zwischen den beiden Ländern - Österreich hielt bereits während des Krieges mit den USA diplomatische Verbindungen zum kommunistischen Vietnam - vertiefen soll. Zudem zeigte er sich erfreut, dass Schallenberg mit einer großen Wirtschaftsdelegation angereist war.

Tatsächlich überschneiden sich hier die Interessen beider Länder: Österreich will am vietnamesischen Aufschwung teilhaben. So nahmen mehr als 20 Firmen an einem Wirtschaftsforum in Hanoi teil, und bei der Eröffnung wurden zwei Abkommen unterzeichnet. Die Raiffeisenbank International finanziert nun einen Kraftwerksbau der vietnamesischen Firma Agrimeco im Volumen von 25 bis 30 Millionen Euro, und Andritz Hydro hat ein Kooperationsabkommen mit einer Tochterfirma des vietnamesischen Stromversorgers EVN zur Digitalisierung von Anlagen in Kraftwerken abgeschlossen.

Der stetig wachsende wirtschaftliche Austausch - mit keinem südostasiatischen Land treibt Österreich mehr Handel - dient aber nicht nur dem Wirtschaftsleben, wie Schallenberg im Gespräch mit Journalisten erläuterte. Es gehe auch darum, in aller Welt Partner zu suchen. Denn der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine sei ein "Weckruf" für Europa gewesen, das daraus die Lehre ziehen müsse, nicht wieder in eine derartige Abhängigkeit wie beim russischen Gas zu geraten. Bezogen auf Asien bedeutet das, nicht einseitig nur auf China zu setzen.

Die Globalisierung wieder zurückzufahren, würde nicht funktionieren, betont Schallenberg. "Aber wir brauchen Diversifizierung, wir brauchen neue Märkte und Lieferketten."

Heikle geopolitische Situation

Und auch Vietnam nimmt Investitionen aus dem Ausland mit offenen Armen auf. Das bringt technisches Know-how und kurbelt die Wirtschaft weiter an. Der steigende Wohlstand ist nämlich Teil eines unausgesprochenen Gesellschaftsvertrages der KP mit ihrem Volk: Die Partei sorgt dafür, dass die Bürger ökonomische Aufstiegschancen sehen, diese halten dafür - bei allem Unmut über die grassierende Korruption, die Privilegien der Kader oder auch die Luftverschmutzung in den großen Städten - weitgehend still.

Eine zweite Quelle der Legitimation der KP speist sich aus der Geschichte: Sie ist die Bewegung, die die Unabhängigkeit eines geeinten Vietnams, zunächst gegen die französischen Kolonialherren und dann gegen die USA, erkämpft hat.

Bis heute befindet sich das Land geopolitisch in einer heiklen Situation. Vor allem vom mächtigen Nachbarn China sieht sich Vietnam nun bedrängt. Streitpunkt ist hier vor allem das Südchinesische Meer, in dem Peking sehr aggressiv Gebietsansprüche stellt - etwa durch das Aufschütten von Inseln oder demonstrative Militärübungen. Die Regierung in Hanoi betont zwar, dass sie diesen Konflikt über die Gebietsansprüche, an dem insgesamt sechs Staaten beteiligt sind, über das internationale Seerecht lösen will - hat aber selbst auch schon Außenposten errichtet und bei Inseln, die es reklamiert, die Landfläche erweitert. Im Vergleich zu China verhält sich Vietnam jedoch immer noch sehr zurückhaltend.

Schallenberg ortet auch hier überschneidende Interessen von Vietnam und Österreich. Das eine wie das andere Land benötige eine internationale Ordnung, "in der auch größere Staaten die Regeln einhalten und nicht das Recht des Stärkeren gilt, in der uns das Völkerrecht schützt". So sei Österreichs Wirtschaft vom Export abhängig; sechs von zehn Euro würden damit verdient. "Es ist daher essenziell für uns, dass der internationale Seeverkehr funktioniert."

Teil dieser internationalen Ordnung ist auch die territoriale Integrität souveräner Staaten. Zu dieser bekennt sich Vietnam theoretisch, praktisch wird es aber kompliziert. Denn Vietnam hat bisher auf eine Verurteilung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine verzichtet. Offiziell begründen das vietnamesische Vertreter damit, dass die entsprechende UN-Resolution keine ausreichende Friedensperspektive biete. Ein weiterer Grund könnte aber, neben den historischen Verbindungen zu Russland, die sich noch aus Sowjetzeiten gehalten haben, ganz praktischer Natur sein: Vietnams Militär ist von russischen Waffensystemen abhängig.

Menschenrechte versus Handel

Schallenberg sprach die vietnamesische Haltung zu Russland an; es ist aber nicht absehbar, dass sich Vietnam hier bewegt. Genau so wenig wie bei einem weiteren Thema, das bei den Gesprächen des Außenministers mit der vietnamesischen Seite für Widersprüche sorgte: die Menschenrechte. Wer den Herrschaftsanspruch der KP in Frage stellt, bekommt deren harte Hand zu spüren. Die Medienfreiheit ist enorm eingeschränkt; Kritiker landen schnell hinter Gittern. Zuletzt bekam das etwa der Blogger Nguyen Lan Thang zu spüren, der wegen "staatsfeindlicher Aktivitäten" und "Verleumdung der Partei" zu sechs Jahren Haft verurteilt wurde. Der Zivilgesellschaft wird in Vietnam immer mehr die Luft abgeschnürt.

Trotzdem ist Schallenberg dafür, sich weiter dort zu engagieren. Denn die Alternative wäre, überhaupt den Austausch, auch über Menschenrechte, einzustellen. Die Welt, in der sich Österreich bewegt, entspreche nicht immer den europäischen Werten und Vorstellungen, meint der Außenminister. So sind die meisten südostasiatischen Länder keine Demokratien, und wenn man überall europäische Standards einfordern würde, blieben nur mehr wenige Partner für den Handel übrig. "Wir können uns nicht die Welt aussuchen, in der wir leben", konstatiert der Außenminister. "Wir müssen sie nehmen, wie sie ist."