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Geschickter Schachzug des Irak

Von Gabriele Chwallek

Politik

Washington - US-Präsident George W. Bush schlief noch, als die irakische Einladung an den UN-Chefwaffeninspekteur für den Irak, Hans Blix, publik wurde. Während man unverzüglich begann, an der Washingtoner Reaktion zu feilen, warteten Politanalytiker in Rundfunk und Fernsehen schon mit ihrer Einschätzung auf. Der allgemeine Tenor: Saddam Hussein hat die US-Regierung mit seiner Offerte ganz schön in Verlegenheit gebracht - so durchsichtig sie auch sein mag.


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Tatsächlich kam Saddams Schachzug zu einem klug gewählten Zeitpunkt. US-Medienberichte über konkrete Invasionspläne, die zur Verärgerung des Pentagon durchsickerten, haben im Irak die Besorgnis erhöht, dass es die USA mit ihren Drohungen und Warnungen tatsächlich ernst meinen könnten. Auch die Tatsache, dass sich der US-Senat just in zweitägigen Anhörungen über die etwaige Bedrohung durch irakische Massenvernichtungswaffen informieren ließ, hat - trotz aller vollmundiger Saddam-Verheißungen eines glorreichen irakischen Sieges - in Bagdad Beunruhigung ausgelöst.

Zugleich hat gerade erst jetzt wieder der jordanische König Abdullah in Washington klar gemacht, dass die USA im Fall des Falles Probleme hätten, in der Region Aufmarschplätze für ihre Streitkräfte zu finden. Die Türkei, immerhin ein NATO-Verbündeter, wird nicht müde, massive Vorbehalte gegen einen US-Militärschlag zu äußern. Schließlich und endlich: Bush selbst hat nach dem 11. September immer wieder betont, dass Saddam Waffeninspekteure zurück ins Land lassen müsse. Genau in dieses Horn hat Bagdad jetzt gestoßen. Amerikanische Irak-Experten sind sich zwar mit der politischen Führung einig, dass es sich bei der Einladung an Blix höchstwahrscheinlich um ein taktisches Manöver handele. Aber: "Saddam könnte es sehr wohl geschafft haben, den USA zum jetzigen Zeitpunkt den Wind aus den Segeln zu nehmen", zitierte der öffentliche Rundfunksender NPR einen Analytiker. "Viele werden sagen: Hey, warum gebt ihr dem Burschen nicht erst mal eine Chance, bevor ihr losschlagt? Keine Frage: Gegner einer US-Militäraktion werden Aufwind erhalten." Experten meinen, dass den USA möglicherweise gar nicht an Inspektionen gelegen sein könnte. Sie wollten sich die Option bewahren, Saddam mit Militärgewalt zu stürzen. Ein irakischer Präsident, der auch nur kleinste Zugeständnisse mache, passe nicht in das US-Konzept.