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Geschmäcker sind verschieden

Von Alexandra Grass

Wissen

Ernährungsweise könnte durchaus mitbestimmend sein. | Geruchssinn von Landkindern besser als in der Stadt. | Wien. Drei Viertel der 10- bis 13-Jährigen können die Geschmacksrichtungen süß, sauer, salzig und bitter nicht mehr unterscheiden. Nur die Hälfte kann von 11 Gerüchen mehr als 8 richtig erkennen. Dies ist das Ergebnis einer AMA Marketing-Studie, wofür unter der Leitung des Lebensmittelwissenschafters Klaus Dürrschmid von der Universität für Bodenkultur insgesamt 385 Kinder in 18 Schulen getestet wurden.


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Vor allem der übermäßige Verzehr von Schnellimbissen, sehr süßen Getränken, viel Weißbrot, wenig Obst und Gemüse dürfte zur Verringerung der gustatorischen und olfaktorischen Wahrnehmung beitragen, vermuten die Experten. Ob die Zusammenhänge mit Ernährungsgewohnheiten kausal sind, wurde aber noch nicht untersucht, erklärte Dürrschmid bei der Studienpräsentation. So kommt wohl auch der genetischen Disposition keine unbedeutende Rolle zu.

10.000 Knospen

Die Zahl der Geschmacks- zellen auf der Zunge ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich hoch. So wird unterschieden zwischen den Super-, Normal- und Nichtschmeckern. Durchschnittlich bevölkern mehr als 10.000 Geschmacksknospen vorwiegend Zunge und Gaumen. Zu 80 Prozent werden die Aromen einer Speise jedoch über den Geruchssinn wahrgenommen, nur zu 20 Prozent über die Zunge. Deshalb führt auch Schnupfen zu einer deutlichen Beeinträchtigung des Geschmacksempfindens.

Süß, umami bevorzugt

Biologisch gesehen kommt dem gustatorischen System eine wichtige Funktion zu, denn es prüft die Nahrung auf ihre Genießbarkeit. So ist die Bevorzugung von Süßem evolutionsbiologisch gesehen durchaus sinnvoll. Süßer Geschmack, wie schon von Babys bevorzugt, ist oft an die wichtige Energiequelle Kohlenhydrate gebunden. Süße, wie jene von reifen Früchten, signalisiert in der Natur Unbedenklichkeit. Auch umami, die fünfte Geschmacksrichtung, findet schon bei Säuglingen Wohlgefallen und deutet auf eine Proteinquelle hin. Eine Aversion gegen Bitterstoffe schützt vor giftigen pflanzlichen Substanzen, die meistens bitter schmecken. Sauer sind unreife Früchte oder verdorbene Nahrung.

Kindern, deren gustatorische und olfaktorische Wahrnehmung beeinträchtigt ist, entgehen "beim Essen und Trinken und somit beim Genießen unentbehrliche Sinne", erklärte Dürrschmid. Vor allem sind dies laut Studie Stadtkinder. Denn jene aus ländlichen Regionen, die mehr Vollkornbrot, weniger Schnellimbisse und weniger stark gesüßte Getränke zu sich nehmen, schnitten beim Riechen viel besser ab.

Dürrschmid sieht in Sachen sensorischer Wahrnehmung Handlungsbedarf an den Schulen. Die Ernährungswissenschafterin Andrea Lehner rät zu Geschmacksschulungen, um differenziertes Geschmackserlebnis zu vermitteln. Dies sei erfolgversprechender als reine kognitive Wissensvermittlung.