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Kathrin Rögglas viel gelobter neuer Prosaband "Wir schlafen nicht" (S. Fischer Verlag) erzählt keine Geschichten, sondern lässt die Leute reden. Die junge österreichische Autorin hat Interviews mit Menschen geführt, die - mehr oder weniger erfolgreich - in den Jobs der New Economy tätig sind.
Allerdings werden diese Interviews nicht unbearbeitet präsentiert, sondern in der indirekten Rede. Diese Verschiebung verleiht den O-Tönen aus der neuesten Arbeitswelt eine abschreckend kühle Künstlichkeit. ("Verfremdungseffekt" nannte man dieses Verfahren in Zeiten, in denen man sich noch an der Ästhetik Bertolt Brechts orientierte.)
Am Sonntagabend wurde im "Literaturstudio" auf Ö1 eine Hörspielfassung von "Wir schlafen nicht" gesendet. Da hörte man sie dann reden: die Contentmanager und IT-Experten, die Werber und die arbeitslosen Frauen mit "Agenturvergangenheit", deren Lebensprinzip mit "short sleeping - quick eating" kurz gefasst wurde.
Der Transfer vom Buch in den Rundfunk konnte kaum schief gehen, denn natürlich sind redende Stimmen sehr radiotauglich. Die Sprecher und Sprecherinnen meisterten die indirekte Rede in kunstvoller Stilisierung und brachten dadurch die kritische Absicht Kathrin Rögglas gut zum Ausdruck. Als zum Beispiel die Redensart "ich sag' mal" in der Form "sage Sie mal" zu hören war, zeigte sich deutlicher als im Alltag, wie nichts sagend diese vielgebrauchte Phrase ist.