Macht die Regierung Selbständigen das Leben schwer, anstatt sie zu entfesseln?
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Der Zeitdruck bei den Koalitionsverhandlungen war nicht gerade gering. Da kann schon einmal so etwas passieren: Auf Seite 86 des Regierungsübereinkommens ist eine Evaluierung des GmbH-Gesetzes vermerkt, so hatte es die Verhandlungsgruppe "Wachstum" (Christoph Leitl, ÖVP, Rudolf Hundstorfer, SPÖ) beschlossen. Auf Seite 105 ist hingegen schon von einer Reform der Reform zu lesen: die GmbH light werde künftig nur noch für Neugründungen möglich sein - beschlossen von der Gruppe "Finanzen" unter Josef Pühringer (ÖVP) und Andreas Schieder (SPÖ).
Eine Steuererleichterung nicht im Sinne des Erfinders
Für diese Reform der Reform gibt es auch in erster Linie fiskalische Gründe. Die Mindesteinlage für Gesellschaften mit beschränkter Haftung wurde in dem seit Juli 2013 gültigen Gesetz von 35.000 auf 10.000 Euro herabgesetzt. Da sich jedoch danach auch die Mindest-Körperschaftssteuer bemisst, zahlten Firmen mit diesem niedrigen Stammkapital statt wie bisher 1750 nur 500 Euro Körperschaftssteuer pro Jahr. Das betraf allerdings nicht nur Neugründungen. Auch "alte" GmbH machten von der Möglichkeit Gebrauch, das Eigenkapital herabzusetzen.
"Die Anzahl der Herabsetzungen ist in die Höhe geschnellt", sagt Hans-Georg Kantner, Insolvenzexperte vom Kreditschutzverband 1870. Die Gesellschafter können sich durch die Herabsetzung eine (einmalige) Auszahlung in Höhe dieser Stammkapitalreduzierung genehmigen, die steuerbefreit ist.
Im Arbeitsprogramm der Regierung ist deshalb festgehalten: "Die Kapitalherabsetzung von GmbHs soll steuerlich nicht gefördert werden, da eine Verschlechterung der Eigenkapitalbasis nicht Ziel der ,GmbH light‘-Reform war." Das niedrigere Eigenkapital würde laut Reform der Reform nun zum Gründungsprivileg, beträfe also nur Neugründungen, in Folgejahren müssten Gewinne zur Seite gelegt werden, um nach und nach auf 35.000 aufzustocken.
Kantner hält dies - aus Sicht von Gläubigerinteressen - für sinnvoll. "Die Gesellschaften werden verpflichtet, nachzudotieren. Die schlechten Dinge dieser Reform werden damit rückgängig gemacht", sagt er.
Statt echter Newcomer kamen alte auf Geschmack
Die Wirtschaftskammer sieht diese Gefahr ebenso wenig wie steuerliche Ausfälle. Besorgt um den Ruf der ÖVP als die Wirtschaftspartei ruft Kammerpräsident Christoph Leitl die Regierung auf, die GmbH light so zu lassen, wie sie ist. Massenhafte Herabsetzungen habe man vorerst nicht registriert, zudem habe man doch das Ziel - "wie es aussieht" - von 1000 Neugründungen erreichen können. Kantner rechnet dem entgegen, dass nur ein Bruchteil auch echte Newcomer seien, der Großteil sei bereits bei anderen Firmen als Gesellschafter tätig.
Leitl will zudem einen weiteren Punkt, den die Finanzgruppe ausverhandelt hat, abgeändert wissen: die Änderung beim Gewinnfreibetrag. Der Gewinnfreibetrag stellt Selbständige den Arbeitnehmern gleich. Die können im Unterschied zu Selbständigen ein steuerbegünstigtes 13. und 14. Monatsgehalt beziehen. Der Gewinnfreibetrag gleicht diese Bevorteilung im Jahreseinkommen aus. Bis 30.000 Euro ändert sich nichts. Darüber hinaus schränkt die Regierung den Freibetrag jedoch wieder ein und will ihn nur noch gewähren, wenn das Geld investiert und nicht spekuliert wird. Die WKÖ versteht nicht, warum die Gleichstellung wieder verwässert wird.
"Nicht als Dauerlösung für wachsende Firmen gedacht"
Christoph Matznetter (SPÖ), der die Änderungen in der Finanzgruppe verhandelt hat, sieht weder bei der GmbH light noch beim Gewinnfreibetrag eine Schlechterstellung. "Die GmbH light ist als Einstiegsform gedacht und nicht als Dauerlösung für bestehende oder schnell wachsende Unternehmen. Es ist grundvernünftig, dass man dem steuerlichen Missbrauch einen Riegel vorschiebt." Die GmbH light sei weiterhin vorteilhafter als die sogenannte Mini-GmbH in Deutschland. Beim Gewinnfreibetrag für Besserverdiener sei es sinnvoll, einen Investitionsanreiz zu setzen.
Für die Neos geht der "Pfeil in die falsche Richtung", wie Niko Alm sagt. "Anstatt mehr zu tun für Neugründer wird es wieder ein bisschen schwerer." Die Änderungen würden keine neuen Jobs bei Selbstständigen schaffen, erinnert Alm das Versprechen einer "entfesselten Wirtschaft".