US-Präsident Donald Trump ist in der Defensive. Er setzt auf Ignoranz und das Durchpeitschen neuer Gesetze.
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Washington D.C./Lousiville. Es war nicht sein Tag gewesen, deshalb wandte sich der Präsident am Abend nach dem großen Knall einem Thema zu, das in den USA immer zieht: Football. Rund tausend Kilometer westlich der Hauptstadt stand Donald Trump auf einem Podium in Louisville, Kentucky und spekulierte über die Zukunft von Colin Kaepernick, dem ehemaligen Star-Quarterback der San Francisco 49ers.
Der 29-jährige Sohn einer weißen Mutter und eines schwarzen Vaters befindet sich derzeit auf Arbeitssuche. Damit tut er sich schwer, weil er sich im vergangenen Jahr unter anderem weigerte, der amerikanischen Bundeshymne Respekt zu zollen, und beim Abspielen derselben manchmal einfach sitzen geblieben war; ein Zeichen des Protests gegen die Polizeigewalt im Land die, statistisch belegt, gestern wie heute in überproportionalem Maße der afroamerikanischen Bevölkerung zuteilwird.
Trump hatte ihn in der Vergangenheit dafür heftig kritisiert. Unter dem Jubel tausender Fans zeigte er sich jetzt stolz darauf, der vermeintlich Hauptverantwortliche für Kaepernicks Schwierigkeiten zu sein, einen neuen Arbeitgeber zu finden: "Ich habe gelesen, dass ihn keiner der NFL-Teambesitzer mehr haben will, weil sie Angst vor einem meiner Tweets haben. Könnt ihr euch das vorstellen?"
Schweige-Präsident
Über das, was in den Stunden unmittelbar zuvor geschehen war, schwieg sich der Präsident dagegen, gänzlich gegen seine Gewohnheiten, aus. Kein Wort darüber, dass FBI-Direktor James Comey im Rahmen einer Anhörung vor dem Kongress bestätigte, dass Trumps Behauptung, sein Vorgänger Barack Obama hätte ihn abhören lassen, jeglicher faktischen Grundlage entbehre. Oder darüber, dass die ihm unterstehende Bundespolizei, wie Comey ebenfalls bekannt gab, bereits seit Juli vergangenen Jahres gegen ehemalige hochrangige Mitglieder des Trump’schen Wahlkampfteams wegen ihrer dubiosen Kontakte zu Vertretern der russischen Regierung ermittle. Oder darüber, dass seine Popularität auf einem neuen Rekordtief angekommen ist (nur mehr 37 Prozent der Amerikaner glauben laut den maßgeblichen Umfragen mittlerweile, dass er einen ordentlichen Job macht).
Stattdessen gab Trump neben dem Aufwärmen alter Wahlkampf-Hadern einen Einblick in das, was das Land, wenn es nach ihm geht, für den Rest des Jahres in legislativer Hinsicht zu erwarten hat. Die diesbezüglich mit Abstand wichtigste aller Abstimmungen könnte bereits morgen stattfinden. Trump im O-Ton: "Die Republikaner haben die Chance, die Katastrophe Obamacare zu beenden und endlich etwas für unsere Leute zu leisten."
Seit Bekanntwerden der maßgeblich von Paul Ryan, dem Sprecher der Mehrheit im Repräsentantenhaus, vorangetriebenen Reform des Gesundheitssystems laufen die Drähte zwischen dem Kapitol und dem Weißen Haus seit Wochen heiß. Gesucht wird ein Kompromiss, mit dem sowohl moderate wie erzkonservative Fraktionsmitglieder leben können.
Am Dienstagmorgen Ortszeit nahm sich Trump nach seiner Rückkehr aus Kentucky persönlich des Themas an. Der Präsident traf sich mit ausgewählten Runden jener republikanischen Abgeordneten, die gegen das Gesetzespaket - das die Kosten für die Gesundheitsversorgung für ärmere Amerikaner enorm in die Höhe treibt, während es wohlhabende mit üppigen Steuervorteilen belohnt -, Vorbehalte haben. (Letzteres stellt ein unbestrittenes Faktum dar, wie das unabhängige Congressional Budget Office (CBO), das den Erstentwurf analysierte, neulich bestätigte und an dem sich auch nach der Überarbeitung nichts ändert.)
Tillerson streicht Nato-Treffen
Dessen ungeachtet gab Trump den skeptischen Abgeordneten zu verstehen, dass die Republikaner im Falle der Gefolgschaftsverweigerung Gefahr liefen, bei den Midterms 2018 die Mehrheit in beiden Kongress-Kammern zu verlieren. Eine Taktik, die sich der ehemalige Reality-TV-Star bei seinem Vorgänger abgeschaut hat: 2009 argumentierte Obama deckungsgleich, um die Umsetzung des Affordable Care Acts (ACA) abzusichern. Wie Trump bei seiner Rede in Kentucky betonte, ist er jetzt offenbar auf Teufel komm raus erpicht, die Gesundheitsreform schnellstens von der Agenda zu bekommen, um das umsetzen zu können, was ihm wirklich am Herzen liegt: Steuersenkungen und die Neuverhandlungen von Handelsabkommen wie dem North American Free Trade Agreement (Nafta).
Außenpolitisch mehren sich indes - ungeachtet der durch die FBI-Ermittlungen nun quasi amtlich verbrieften schiefen Optik - die Zeichen, dass sich die Gewichte langsam zu verschieben beginnen. Außenminister Rex Tillerson wird ein für Anfang April angesetztes Nato-Treffen auslassen, um in Mar-a-Lago, Trumps Drittwohnsitz in Florida, dem Treffen mit Chinas Präsident Xi Jinping beizuwohnen. Keine Woche später wird Tillerson zu einem Staatsbesuch nach Moskau reisen. Das letzte Mal, dass ein amerikanischer Außenminister ein Nato-Treffen ausließ, war 2003. Jenes Jahr, in dem die USA im Irak einmarschierten.
Anti-IS-Koalition tagt
Am Mittwoch tagen vorerst die Außenminister der Anti-IS-Koalition in Washington. Tillerson trifft dabei über 40 Amtskollegen aus aller Welt, viele davon zum ersten Mal, auch Österreichs Außenminister Sebastian Kurz. Dieser will unter anderem die Anti-Terror-Aktivitäten des österreichischen OSZE-Vorsitzes vorstellen.
Österreich zählt zu den Gründungsmitgliedern der 2014 ins Leben gerufenen Koalition. 22 Staaten beteiligen sich mit Luftschlägen, Waffenlieferungen oder Trainingsmaßnahmen am Kampf gegen den IS, das neutrale Österreich ist im Bereich Prävention, polizeiliche Maßnahmen gegen Dschihadisten sowie beim Wiederaufbau aktiv.