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"Gesetze können Krise nicht stoppen"

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Wirtschaft
Charlie McCreevy: Keine EU-weite Marktaufsicht. Foto: ap

Mitgliedsstaaten selbst zuständig. | Keine Chance für gemeinsame EU- Finanzmarktaufsicht. | Bankenrettungsfonds im Gespräch. | Brüssel. Europäische Großbanken krachen im Sog der US-Krise und können nur mit milliardenschweren Finanzspritzen gerettet werden. Schon auf dem EU-Gipfel Mitte Oktober wollen die Staats- und Regierungschefs mit der EU-Kommission darauf eine gemeinsame Antwort finden. Doch Hoffnungen auf eine rasche Hilfe durch eine gemeinsame Finanzmarktaufsicht oder strengere EU-Gesetze erteilte Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy am Mittwoch eine Abfuhr.


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Seine mit Spannung erwartete Verschärfung der EU-Richtlinie für die nötige Eigenkapitaldeckung von Bankgeschäften beinhaltet zwar eine stärkere Kooperation der nationalen Aufsichten und eine Risikoteilung. Doch wegen des langwierigen Gesetzgebungsprozesses würden die Maßnahmen frühestens in zwei Jahren greifen, sagte der irische Kommissar: "Nichts, was wir jetzt im Bezug auf Regulierung tun, wird die Krise stoppen."

Es liege in der Kompetenz der Mitgliedsstaaten, Banken vor Problemen zu bewahren und im Krisenfall zu retten - bisher habe dies ja auch funktioniert: etwa bei der Teilverstaatlichung der Fortis-Bank in Belgien, den Niederlanden und Luxemburg oder bei der Notfinanzierung von Dexia durch die beiden südlichen Benelux-Länder und Frankreich.

Während manche Experten eine Weltfinanzmarktaufsicht für nötig halten, schlägt McCreevy nicht einmal eine gemeinsame EU-Finanzmarktaufsicht vor. Denn dafür sei der Widerstand der Mitgliedsstaaten zu groß. Das habe sich schon bei seinem Vorschlag für eine Gruppenaufsicht für grenzüberschreitend arbeitende Versicherungen gezeigt: Er präsentiere keine Vorschläge mehr, die keinerlei Chance auf Umsetzung hätten, sagte er.

Kommt Milliardenfond?

Ähnlich äußerte sich Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso auf die Frage nach einem angeblich geplanten europäischen Bankenrettungsfonds mit einem Umfang von mehreren hundert Milliarden Euro, an dem sich alle Mitgliedsstaaten entsprechend ihrer Wirtschaftsleistung beteiligen sollen. Er könne das beantworten, wenn die Mitgliedsstaaten dazu bereit seien, meinte der Portugiese höchst vage. Er wolle nichts ankündigen, das ohne konkrete Folgen bleibe. Immerhin pochte er darauf, dass die Sicherung von Spareinlagen ein wesentliches Anliegen der Kommission und der derzeit der EU vorsitzenden Franzosen sei.

McCreevy schlug indes konkret ein sogenanntes Aufsichtskollegium für grenzüberschreitende Bankengruppen vor. Die Finanzmarktaufsichten der beteiligten Länder müssten somit enger zusammenarbeiten. Darüber hinaus sollen Banken und Wertpapierhäuser verpflichtet werden, mindestens fünf Prozent des Volumens von aus Krediten zusammengestellten Finanzprodukten selbst zu behalten. Sie müssten damit einen Teil des Ausfallsrisikos tragen, so die Überlegung. Schließlich seien bisher schlicht so viele Hypothekenkredite wie möglich angesammelt und dann ohne ausreichende Risikoanalyse als Wertpapierkonstrukte abgestoßen worden, erinnerte McCreevy an die Wurzel der Subprime-Krise in den USA.

Um einen Domino-Effekt beim Kollaps von Banken vorzubeugen, sollen kurzfristige Kredite, die Finanzinstitute einander gewähren, mit einem Viertel des Eigenkapitals der kreditgebenden Bank limitiert werden. Bisher waren diese sogenannten Interbankenkredite mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr von den Eigenkapitaldeckungsvorschriften ausgenommen.

Experten sehen diesen Schritt allerdings kritisch, weil die Banken einander wegen mangelnden Vertrauens ohnehin nicht mehr so gerne Geld borgen und daher vielfach Liquiditätsprobleme für das Alltagsgeschäft bestehen.

Kroes prüft Notaktionen

Die Beamten von EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes prüfen indes die Hilfestellungen europäischer Regierungen auf ihre Vereinbarkeit mit dem EU-Wettbewerbsrecht: Die Verstaatlichung der britischen Hypothekenbank Bradford&Bingley wurde durchgewinkt, auch für Fortis sieht es gut aus. Dexia, Hypo Real Estate und das irische 400-Milliarden-Euro-Garantiepaket werden noch geprüft.

Beim Aufkauf von Unternehmen durch die öffentliche Hand wird geprüft, ob dieser zu Marktpreisen stattgefunden hat. Dann liegt keine staatliche Beihilfe vor. Das gilt auch für staatliche Bürgschaften, wenn sie zu Marktkonditionen erfolgen.