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Nur für kurze Zeit rückt in Rumänien die Vorbereitung auf den EU-Beitritt in den Hintergrund: Wenn morgen, Sonntag, Kommunalwahlen stattfinden, entscheiden die rund 18 Millionen Wahlberechtigten über lokale Strukturen. Doch auch dabei bleibt die Mitgliedschaft in der Europäischen Union Thema. Denn die regierende Sozialdemokratische Partei (PSD) hat den EU-Beitritt zum Ziel Nummer 1 gemacht.
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Als Test für die nahenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen werden die Kommunalwahlen auch in Rumänien angesehen. Doch die regierende PSD hat - trotz der Unzufriedenheit der Bevölkerung, die sich wohl in geringer Wahlbeteiligung ausdrücken wird - wenig zu befürchten. Laut Umfragen liegt sie mit mehr als 40 Prozent voran. Kandidierende aus 45 Parteien bewerben sich um knapp 41.500 Stadt- und Gemeinderatssitze. Für das Amt der Bürgermeister in Bukarest und Cluj (Klausenburg) kandidieren Außenminister Mircea Geoana und Innenminister Ioan Rus. Beide waren an den Verhandlungen mit der Europäischen Kommission beteiligt, und obwohl sie angekündigt haben, ihre Pflichten auch weiterhin zu erfüllen, hatten rumänische Kommentatoren die Befürchtung geäußert, dass ein Rückzug der Minister in Brüssel als Zeichen mangelnder Seriosität gewertet werden könnte.
Aber das ist, was die Regierung in Bukarest vermeiden möchte. Hat für sie doch der Abschluss der Beitrittsverhandlungen und eine Mitgliedschaft in der EU ab 2007 oberste Priorität (siehe unten). Der Aufholprozess wird dabei ein langer sein. Zwar wächst die Wirtschaft und ist der Durchschnittslohn in den letzten vier Jahren von 130 auf 170 Euro gestiegen, doch noch immer leben geschätzte 30 Prozent von rund 22 Millionen Menschen unter der Armutsgrenze. Die Landwirtschaft, in der rund 30 Prozent der Bevölkerung beschäftigt sind, kann EU-Standards nicht standhalten. Selbst wenn die EU mittels SAPARD-Programm finanzielle Unterstützung bei der Anpassung anbietet: Die kapitalschwachen und veralteten Höfe, die oft nur auf Eigenversorgung ausgerichtet sind, können meist die erforderliche Eigenbeteiligung nicht aufbringen. Und der Staat hilft selten.
Auf der anderen Seite geben wirtschaftliche Eckdaten Anlass zu Optimismus. So betrug das Wirtschaftswachstum im ersten Quartal des Jahres laut WIIW 6,1 Prozent, stiegen die Importe und Exporte, sind die Zahlungsrückstände zurückgegangen. Schon seit einigen Jahren weist Rumänien gemeinsam mit Tschechien die niedrigste Auslandsverschuldung unter den Ländern Mittel- und Osteuropas auf. Heuer wird die EU Rumänien wohl als funktionierende Marktwirtschaft anerkennen.
Doch noch immer liege der südwestliche, höchstentwickelte Teil Rumäniens unter dem Niveau von den ärmsten ostungarischen Regionen, sagt Gabor Hunya vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW). Und die Strukturen - soziale wie auch rechtliche - greifen nicht so wie in den neuen EU-Mitgliedstaaten. "Doch die Diskrepanzen werden politisch beurteilt", gibt Hunya zu bedenken. So sei ein Beitritt Rumäniens auch eine politische Entscheidung.
Noch kann sich die Zusammenarbeit mit den rumänischen Behörden "mühsam und extrem zeitaufwendig" gestalten. So bezeichnet es Walter Grausam, Vorstandsdirektor der Agrana BeteiligungsAG, die sich seit ihrem Einstieg in die Zuckerindustrie 1998 in Rumänien zum Marktführer entwickelt hat und dort an die 1.100 Menschen beschäftigt. Zwar seien schon viele Gesetze an EU-Standards angepasst. Doch an der Umsetzung scheitert es oft. Auch die von der EU kritisierte Korruption sei "in unserem Erfahrungsschatz wiederzufinden", formuliert es Grausam. Aber manche Entwicklungen brauchen ihre Zeit, auch wenn die EU finanzielle Hilfe leistet. Grausam findet dafür einen Vergleich aus dem Agrarbereich: Wenn ein Apfelbaum in die Sonne gestellt wird, dann werden die Äpfel auch nicht doppelt so schnell reif. n