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Gesetze und deren Folgen

Von Matthias G. Bernold

Wirtschaft

Wird in Österreich ein Gesetz erlassen, müssen bereits im Entwurf die möglichen Auswirkungen auf Wirtschaftsstandort, Arbeitsmarkt und die Kosten der Umsetzung dargestellt werden. In der Praxis fristet die Gesetzesfolgenabschätzung allerdings ein Schattendasein, warnten gestern Experten bei einer Veranstaltung im Parlament.


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Auf dem Vorblatt eines jeden Gesetzes, das den Ministerrat passiert, finden sich - ähnlich wie auf dem Medikamenten-Beipackzettel - mögliche Wirkungen und Nebenwirkungen: Verwaltungsmehraufwand, Personal-, Schulungskosten, die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, auf den Wirtschaftsstandort, etc. sollten im Vorblatt angeführt sein, so will es das Gesetz.

Leider zeige die Praxis ein anderes Bild, machte gestern Karl Irresberger vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes aufmerksam: "Ein Großteil der Regierungsvorlagen gibt schlicht ,keine' Auswirkungen auf Beschäftigung und Wirtschaftsstandort an." Manchmal sei auch von "keinen unmittelbaren", "keinen spürbaren" oder "keinen kalkulierbaren" Auswirkungen die Rede. Gelegentlich würden Auswirkungen "positiv", "überwiegend positiv" oder "in Summe positiv" umschrieben, berichtete der Experte bei der Veranstaltung, zu der Nationalratspräsident Andreas Khol, die Österreichische Gesellschaft für Gesetzgebungslehre (ÖGGL) und die Österreichische Parlamentarische Gesellschaft geladen hatten.

"Insgesamt ergibt sich der Eindruck, dass die Gesetzgebungsakte der vergangenen vier Jahre, soweit sie auf Regierungsvorlagen zurückgehen, praktisch keine Folgekosten hervorgerufen haben sollten", wundert sich Irresberger. Auf Auswirkungen differenziert nach Betrieben bzw. Branchen oder nach Unternehmen, Kunden und Bürgern werde "so gut wie nie" Bedacht genommen.

Der Transparenz abträglich sei weiters die Praxis, die Auswirkungen eines Vorhabens als "insgesamt positiv" zu beschreiben und dabei negative und positive Auswirkungen nicht gesondert darzustellen, sondern zu "saldieren", bemängelt Irresberger.

Schwierige Kostenrechnung

Was die Schätzung von künftigen Personalaufwendungen der Verwaltung betrifft, würde in zahlreichen Fällen von den Entwurfsverantwortlichen auf eine detaillierte Kostenschätzung verzichtet - vielmehr begnüge man sich mit globalen Angaben, berichtet Irresberger. "Was im Einzelfall damit gerechtfertigt werden kann, dass eben nicht jeder Rechtsetzungsakt neue Verwaltungsvorgänge induziert", so der Experte. Auch die hohen Anforderungen einer genauen Personalkosten-Kalkulation sind nach Ansicht Irresbergers für diese Entwicklung verantwortlich: "Die Hauptschwierigkeit besteht darin, detaillierte und einigermaßen realitätsnahe An-nahmen über den durchschnittlichen Zeitbedarf, den die jeweiligen Vollzugstätigkeiten erfordern, zu treffen."

Experten-Gutachten

Irresberger wünscht sich eine Begutachtung der Entwürfe durch Wirtschaftsforschungs-institute oder universitäre Einrichtungen.

Die Pflicht zur Gesetzesfolgenabschätzung war bereits in den Legistischen Richtlinien 1979 festgeschrieben. Heute mahnen das Bundeshaushaltsgesetz, Richtlinien des Finanzministeriums und der Ministerratsbeschluss vom 22. Jänner 1999 Prognoseverpflichtungen ein.