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Gesichtsschleier am Arbeitsplatz kann zu Kündigung führen

Von Peter C. Schöffmann

Wirtschaft
Peter C. Schöffmann ist Praktikant in der Kanzlei MOSATI Rechtsanwälte.

OGH wie EGMR: Unverhülltes Gesicht zählt zu den Grundregeln der zwischenmenschlichen Kommunikation.


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Erst kürzlich war an dieser Stelle die Kleidung am Arbeitsplatz Thema. Im Fall eines Busfahrers, der zu seiner Dienstuniform ein rosa Haarband trug, entschied der Oberste Gerichtshof, dass eine Kündigung nicht gerechtfertigt sei (9 ObA 82/15 x). Beachtenswert dabei ist insbesondere die Abwägung der Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers gegen betriebliche Interessen des Arbeitgebers.

Besonders heikel wird es, wenn die Kleidung auch Ausdruck eines Glaubensbekenntnisses ist. Der OGH entschied vor kurzem über die Kündigung einer Muslima, die bei einem Notar beschäftigt war (9 ObA 117/15 v). Die Klägerin war bereits vor ihrer Anstellung zum Islam konvertiert. Nach Begründung des Arbeitsverhältnisses entschied sie sich, auch ein islamisches Kopftuch (Hidschab) und Übergewand (Abaya) zu tragen. Die Klägerin wurde zunächst auch im Kontakt mit Klienten - insbesondere als Testamentszeugin - eingesetzt, nach dem Ende ihrer Elternkarenz wurde diese Tätigkeit eingeschränkt.

Als die Arbeitnehmerin entschied, einen Gesichtsschleier (Niqab) zu tragen, der lediglich einen Schlitz für die Augen freilässt, sprach ihr der Arbeitgeber die Kündigung aus. Die Muslima erhob Klage, da sie sich aufgrund ihres Glaubens diskriminiert fühlte. Der Arbeitgeber brachte dagegen vor, dass der Kündigungsgrund nicht im Glaubensbekenntnis, sondern im äußeren Erscheinungsbild der Klägerin lag.

Der OGH befasste sich zunächst mit der Frage des Gesichtsschleiers, verwarf das Argument des Arbeitgebers und stellte fest, dass als Diskriminierungsschutz nicht nur das Glaubensbekenntnis, sondern auch das damit im Zusammenhang stehende äußere Erscheinungsbild zu verstehen sei. Eine Ungleichbehandlung könne jedoch gerechtfertigt sein, wenn sie wesentlich und entscheidend für die Erbringung der Arbeitsleistung sei. Dabei bezog sich der OGH besonders auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der das gesetzliche Verbot der Gesichtsverhüllung in Frankreich aus "Gründen der gesamtgesellschaftlichen Kommunikation" für legitim erachtete. Er betont in seiner Entscheidung, dass das unverhüllte Gesicht zu den Grundregeln der zwischenmenschlichen Kommunikation gehöre. Das Kopftuch entspräche dieser Anforderung; wohingegen das Tragen eines Gesichtsschleiers die Kündigung rechtfertigen kann. Das Argument der Klägerin, sie hätte den Niqab bei Kontakt mit Klienten abnehmen können, überzeugte den OGH nicht. Auch der Kontakt mit den Kollegen und dem Arbeitgeber selbst sei wesentlicher Bestandteil der Arbeitstätigkeit. Die Klage wurde daher in diesem Punkt abgewiesen.

Die Einschränkung des Klientenkontakts sowie die abfällige Bemerkung des Arbeitgebers, dass das "Dauerexperiment ethnischer Kleidung" ohnehin unterstützt wurde, erachtete der OGH hingegen sehr wohl als diskriminierend. Auch könne der Arbeitgeber sein Verhalten nicht mit den "Erwartungen von Kunden" rechtfertigen. Ausschlaggebend sei ausschließlich, ob die Arbeitnehmerin ihrer Arbeitsleistung ohne Einschränkung nachkommen könne. Letztlich wurde der Klägerin für diese Diskriminierung ein Schadenersatz von 1200 Euro zugesprochen.