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Gespaltenes Land

Von WZ-Korrespondent Ferry Batzoglou

Politik
Für ein Abkommen mit Griechenland wirbt die Regierung in ihrer Kampagne.
© reu/Teofilovski

Bei einem Referendum entscheiden die Mazedonier am Sonntag über den künftigen Namen ihres Staates.


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Skopje. Angel Janev, schlohweisses Haar, braun gebranntes Gesicht, fließendes Deutsch, erinnert sich gerne an seine Zeit im fernen Gummersbach, auch wenn das schon ein halbes Jahrhundert her ist. In der westdeutschen Kreisstadt arbeitete er in einer Fabrik an der Drehbankmaschine. "Mein Chef war sehr zufrieden mit mir. Er sagte zu mir: ‚Angel, du musst Deutscher werden! Bleib bitte bei uns!‘ Ich erwiderte: ‚Wieso? Ich habe doch den jugoslawischen Pass. Damit kann ich hier bleiben, solange ich mag." In seiner Stimme schwingt eine gewisse Sehnsucht mit.

Dennoch blieb er nicht lange. Angel Janev, heute 72 Jahre alt, Pensionist und mehrfacher Großvater, kehrte in seine Heimat Jugoslawien zurück. Ganz in den Süden, nach Mazedonien.

Dort erlebte er, wie Jugoslawien nach und nach zerfiel. Am 8. September 1991 erklärte Mazedonien feierlich seine Unabhängigkeit. Mehr als 91 Prozent der Bewohner hatten sich in einem Referendum dafür ausgesprochen. Das tat auch Janev. Der neue Staatsname: Republik Mazedonien.

Gut 27 Jahre danach, am kommenden Sonntag, sind rund 1,8 Millionen stimmberechtigte Mazedonier erneut zu einer Abstimmung aufgerufen. Die Frage lautet diesmal: "Sind Sie für die Mitgliedschaft in der EU und der Nato, indem Sie das Abkommen zwischen der Republik Mazedonien und der Hellenischen Republik anerkennen?" Die Vereinbarung sieht im Kern vor, dass die Republik Mazedonien fortan Nord-Mazedonien heißen soll. Damit das Votum gültig ist, müssen mindestens 50 Prozent der Wahlberechtigten daran teilnehmen.

Werbung mit Europa

Die vier Extra-Buchstaben im Staatsnamen sind ein Zugeständnis an Griechenland. In dessen Norden liegt die Region Makedonien. Im Gegenzug erkennt Hellas erstmals die Existenz der mazedonischen Nation sowie mazedonischen Sprache im nördlichen Nachbarland an.

So soll unter den jahrzehntelangen Namensstreit endlich ein Schlussstrich gezogen werden. Die Einigung war die Bedingung dafür, dass Griechenland seinen erbitterten Widerstand gegen den Beitritt des kleinen Nachbarn zur EU und Nato aufgibt.

Angel Janev lässt das alles kalt. Er weiß, was er am Sonntag tun wird. Er bleibt zuhause. Demonstrativ. "Natürlich boykottiere ich das Referendum. Und nicht nur ich, sondern meine ganze Familie. Wir sind mehr als dreißig Personen. Wir sind nicht Nord-Mazedonien, nicht Ober-Mazedonien, nicht Neu-Mazedonien. Das geht alles gar nicht. Wir sind Mazedonien!"

Vladica Kouneva will ein Nein ankreuzen.
© Ferry Batzoglou

Ähnlich denkt Vladica Kouneva. Sie sitzt im Schatten des imposanten Denkmals Alexanders des Großen im Herzen Skopjes. Ihr Enkel döst im Kinderwagen. "Ich bin Mazedonierin und mein Land heißt Mazedonien. Fertig." Immerhin: Sie wird wählen gehen, aber mit Nein stimmen. "Mit beiden Händen", wie sie sagt.

Auch der sozialdemokratische Ministerpräsident Zoran Zaev weiß, dass die mit Athen vereinbarte Namensänderung viele Mazedonier schmerzt, sie gar demütigt. Auffällig ist, dass er und seine Kabinettsmitglieder in der Regierungskampagne für das Referendum den künftigen Staatsnamen Nord-Mazedonien tunlichst nicht verwenden. Die Befürworter der Einigung mit dem Nachbarland sprechen stets mit Blick auf die in Mazedonien sehr beliebte EU von einem "europäischen Mazedonien". So wollen sie den Gegnern des Abkommens den Wind aus den Segeln nehmen. Zumindest rhetorisch.

Zustimmung von Albanern

Das hält die nationalkonservative Oppositionspartei VMRO-DPMNE, die bis zum Frühling 2017 in Skopje regierte, nicht davon ab, dem Kabinett Zaev vorzuwerfen, gegenüber Athen "kapituliert" zu haben. Dennoch rief Parteivorsitzender Hristijan Mickoski zuletzt nicht zum Boykott des Referendums auf - anders als Staatspräsident Georgi Ivanov.

Dennoch: Umfragen zufolge hat das Ja-Lager die Nase unter denen, die ihre Stimme abgeben wollen, vorn. In ihm befindet sich die überwiegende Mehrheit der albanischen Bevölkerungsgruppe, die etwa ein Viertel der Wählerschaft darstellt. Das könnte den Ausschlag für die Annahme des Abkommens geben.

So hat sich Elvis Xhaferi, Anfang vierzig, Arzt aus der westmazedonischen Stadt Tetovo, mit großteils albanischer Bevölkerung, schon entschieden. Er wird mit Ja stimmen. "Es ist überfällig, dass der Namensstreit beigelegt wird. Wir haben schon zuviel Zeit damit verloren, wir müssen nach vorne schauen", sagt er.

Atanas Savevski will beim Votum mit Ja stimmen.
© Ferry Batzoglou

Der slawische Mazedonier Atanas Savevski ist ebenfalls davon überzeugt. "Mazedonien hat mehr Möglichkeiten in der EU als außerhalb. Ich will eine bessere Zukunft für mein Land. Ohne Korruption, ohne Vetternwirtschaft. Ich will auch die Freiheit haben, zumindest vorübergehend überall in der EU arbeiten zu können. Da ist mir der Staatsname egal", sagt der 36-jährige Software-Ingenieur bei einer Arbeitspause in einem der unzähligen Cafés in Skopjes Innenstadt. Er wird daher wählen gehen - und ein Ja ankreuzen.

Eine bessere Zukunft wünschen sich viele junge Mazedonier. Die triste Wirklichkeit sieht für sie so aus: niedrige Einkommen, hohe Arbeitslosigkeit, kaum Karrierechancen. Da passt es ins Bild, dass sich schon in der Früh vor allem vor der deutschen, österreichischen oder Schweizer Botschaft in Skopje lange Warteschlangen bilden. Tag für Tag. Vor allem junge Mazedonier wollen das begehrte Arbeitsvisum, um ihrer Heimat den Rücken zu kehren. Kein leichtes Unterfangen. Schon gar nicht für Bürger eines Drittstaats außerhalb der EU.