Drogerie-Kette gehen die Waren aus; Schicksalstage für Schlecker-Nachfolger.
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Wien. Zwei Shampooflaschen links, drei rechts, oder umgekehrt? Die Verkäuferin in einer Dayli-Filiale im 10. Wiener Bezirk kämpft wie ein Löwe gegen die leeren Flächen im Regal. In den untersten Regalen stehen Seifen, Katzenfutter oder Waschmittel auf den Millimeter an der Regalkante. Hauptsache auffallen. Doch es ist eine Sisyphosarbeit. Denn gegen einen ausgetrockneten Warenfluss kann auch die beste Schlichtkunst nichts ausrichten.
Seit Beginn des Abverkaufs vergangene Woche von "minus 40 Prozent auf Alles" bleibt der Nachschub aus. Ein einsamer 6er-
Träger Bier erinnert daran, dass hier einmal die Bierecke war. Es sind sechs Bierflaschen mehr als im Nebenfach. Der Getränkekühlschrank bei der Kassa ist komplett leer.
Für frische Waren fehlt Dayli-Eigentümer Rudolf Haberleitner offenbar frisches Geld. Von den heimischen Banken bekommt er es nicht, deswegen verhandelt er seit Wochen mit einem polnisch-britischen Fonds aus der Handelsbranche, heißt es. Die Zeit drängt. Bald sind die Gehälter für Juni fällig, gleichzeitig müssen die Regale schleunigst aufgefüllt werden. Denn leere Regale verzeihen Kunden nicht.
"Jetzt hab ich doch noch eine Flasche von meinem Shampoo gefunden", sagt die beim Lokalaugenschein der "Wiener Zeitung" einzige Kundin im Shop. Sie zahlt und wünscht der Kassiererin "viel Glück" und packt ihr Shampoo ein. Ein Hauch von Abschied liegt in der Luft. Wieder ein weißer Fleck mehr in den Regalen.
Doch immerhin hat diese Filiale die jüngste Schließungswelle überlebt. 340 der insgesamt 3600 Dayli-Mitarbeiter stehen in wenigen Tagen auf der Straße.
Ware von der Konkurrenz
Andere Filiale, ähnliche Stimmung: "Bei uns war heute Totenstille, ganz wenige Leute betraten die Filiale, die meisten wollten Ausverkaufsware, andere gingen, weil wir nicht mehr hatten, was sie wollten. Morgen müssen wir Putzmittel, Küchenrollen beim Hofer kaufen, selbst für den Eigenbedarf ist nix mehr da. ES IST NICHTS MEHR DA! Kommt euch dieser Satz nicht bekannt vor?", lautet ein Eintrag vom Dienstag auf der "Erfahrungsbörse" der Gewerkschaft der Privatangestellten GPA-djp, die diese sie für die Mitarbeiter von Dayli eingerichtet hat.
Die Kassiererin im 10. Bezirk hofft jedenfalls weiter - und zwar auf Lohn, frische Ware, Zukunft. Über die wird irgendwo in einem Konferenzraum verhandelt. Haberleitner selbst ist seit Tagen nicht erreichbar.
Sie hätte am Sonntag gerne gearbeitet. "Sonst kaufen die Leute in Sopron ein." Dank Sonntagsöffnung. Auf diese hatte Haberleitner sein Dayli-Konzept stark ausgerichtet, hatte Mitarbeiter und Betriebsrat drauf eingeschworen - und verlor. Die Allianz aus Gewerkschaft, Kirche, Politik war stärker. Der Dammbruch für eine generelle Sonntagsöffnung blieb aus. Dieser Zug ist abgefahren. Haberleitner muss nun beweisen, dass er nicht alles auf eine Gesetzesänderung gesetzt hat, an der sich schon Richard Lugner die Zähne ausgebissen hat, sondern potenzielle Investoren von anderen Stärken überzeugen.
Verbrannte Erde
Die GPA und Haberleitner werden jedenfalls keine Freunde mehr. Nach der Sonntagsöffnung kracht es nun wegen der Kündigung der 340 Mitarbeiter. Die Gewerkschaft ist "entsetzt" über den Sozialplan seitens Dayli und rät den Betroffenen davon ab, einer einvernehmlichen Lösung des Dienstverhältnisses zuzustimmen. Im 10. Bezirk schlichtet die Verkäuferin weiter und wartet auf die erlösende Lieferung.