Es ist müßig zu fragen, woran es liegt, dass in Österreich eine aufgeklärte öffentliche Debatte über Sicherheitspolitik nicht möglich ist. Sie ist es nicht, weil irgendwann die Politik für sich die Entscheidung getroffen hat, dass die Bürger mit den letzten und ersten Fragen ihres Staates nicht behelligt werden sollten. Und die Bürger haben diese Entscheidung widerspruchslos hingenommen.
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Dabei ist es einigermaßen verwunderlich, dass wir so leidenschaftlich wie exzessiv über Themen wie Armutsvermeidung, soziale Gerechtigkeit, Probleme der Integration, Gleichberechtigung oder Standortpolitik streiten können - nicht aber über die grundlegende Voraussetzung, die dies alles erst ermöglicht: Die Sicherheit unseres Gemeinwesens und die Fähigkeit, dieses im Bedarfsfall auch zu verteidigen. Das scheint in Österreich niemanden so wirklich zu interessieren.
Die aktuelle Debatte über den Zustand des Bundesheeres ist gegen diesen Befund kein Gegenargument. Diese speist sich aus der Lust am vermeintlichen Skandal, der gespielten Empörung über marode Panzerbrigaden, dem Spott über eine flügellahme Flugwaffe. All dies sind nur die traurigen Symptome einer Sicherheitspolitik, deren Potenz rein rhetorischer Natur ist. Die zugrunde liegende Faktenlage dagegen ist erschreckend dünn.
Ob sich das durch das neue sicherheitspolitische Konzept ändern wird, an dem die Regierung schon seit längerem unter dem Titel "umfassende Sicherheitsvorsorge" arbeitet? Immerhin zeigt es, dass SPÖ und ÖVP politischen Nachjustierungsbedarf in diesem Bereich für Österreich erkennen. Einsicht ist mitunter der erste Schritt zur Besserung.
Im Kern geht es dabei um den Platz Österreichs in der - permanent in Bewegung befindlichen - europäischen und transatlantischen Sicherheitsarchitektur und den politischen wie militärischen Beitrag, den wir dazu leisten können und wollen.
Das sind Fragen, die am Selbstbild der immerwährend neutralen, pardon allianzfreien Republik rütteln. Sie sind zu wichtig, um sie hinter verschlossenen Türen zu behandeln. Und auch wenn eine aufgeklärte Debatte nicht möglich ist - in der Demokratie geht es nicht ohne. Das Schmerzensgeld ist im Ministergehalt eingerechnet.