Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 25 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Ich habe mich hier kürzlich kritisch über die mangelhafte Gesprächs- und Interviewkultur im Fernsehen geäußert. Es wäre ungerecht, dies allein dem ORF anzulasten. Auch die geladenen Gäste tragen
dazu bei. So nimmt z. B. die Untugend zu, auf gestellte Fragen überhaupt nicht mehr einzugehen, sondern stattdessen vorbereitete "Botschaften" wiederzukäuen. Unbeirrt werden formelhafte Werbeslogans
gedroschen, die die programmatischen Aussagen ersetzen sollen.
Wenn aber darauf verzichtet wird, nachvollziehbare und überprüfbare Argumente vorzubringen und sie in einem Begründungszusammenhang darzulegen, dann hat das verhängnisvolle Folgen. Eine Diskussion
über inhaltliche Details und Unterschiede erübrigt sich: Es steht Parole gegen Parole, Taferl gegen Taferl. Dann aber unterscheidet sich die politische Auseinandersetzung, sieht man vom
problematischen Appell auf Emotionen ab, kaum mehr von der Waschmittelwerbung.
Gerade in solchen Augenblicken wäre die Gesprächsleitung dazu aufgerufen, energisch einzugreifen, zur Ordnung zu rufen und · sich als Anwalt des Publikums begreifend · eine möglichst kohärente
Antwort einzufordern. Stattdessen muss man immer wieder mitverfolgen, wie ihr die Leitung aus der Hand genommen wird. Natürlich wäre es am besten, wenn man den Gesprächsleiter gar nicht bemerken
würde. Da dieser Idealfall aber nicht die Regel ist, sondern sich die Studiogäste oft wie ungezogene Kinder gebärden, die das Gegenteil von dem tun, was sie vorher feierlich gelobt haben, hat der
Beruf des wachsamen Moderators à la Josef Broukal noch lange nicht ausgedient.