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Gesprächsstart für Podgorica

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Kampf gegen Korruption und Kriminalität gefordert.


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Brüssel/Podgorica. Die Nachricht war die Unterbrechung allemal wert. Als die Abgeordneten im Parlament in Podgorica zusammenkamen, stand unter anderem ein Bericht des Menschenrechts-Beauftragten auf ihrer Tagesordnung. Doch der Präsident der Volksvertretung, Ranko Krivokapic, unterbrach die Sitzung kurz, um eine Meldung weiterzugeben, die gerade aus dem fast 1500 Kilometer weiter nordwestlich gelegenen Luxemburg eingetroffen war. Dort haben die Außen- und Europaminister der EU beschlossen, Beitrittsverhandlungen zwischen Montenegro und der Union zu beginnen. Das müssen zwar noch die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfeltreffen am Donnerstag und Freitag in Brüssel bestätigen, doch gilt das als eine Formalsache. Noch Ende dieser Woche könnten die Gespräche daher starten.

Freudenvolle Reaktionen auf die Entscheidung kamen nicht nur aus Podgorica sondern auch aus der EU-Kommission. Erweiterungskommissar Stefan Füle begrüßte den Schritt; Montenegros Präsident Filip Vujanovic sprach von einem großen Erfolg seines Landes. Doch hat der Balkanstaat mit seinen etwas mehr als 600.000 Einwohnern noch einen langen Weg vor sich, bevor er in die Gemeinschaft aufgenommen wird. Zwar hat sich das Tempo beschleunigt, nachdem sich Montenegro vor gut sechs Jahren vom Staatenbund mit Serbien losgelöst hat. Doch kämpft das Land noch immer damit, die von der EU geforderten Standards zu erreichen.

Auch wenn Montenegro nach Angaben der EU-Minister "den notwendigen Grad" an Kriterien für die Mitgliedschaft erfüllt habe, müsse es Anstrengungen vor allem bei der Stärkung der Rechtsstaatlichkeit unternehmen. In ihrem letzten Bericht hat die Kommission nämlich auf Mängel bei der Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz sowie beim Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität hingewiesen. Daher soll nicht nur die Brüsseler Behörde die Entwicklung weiter beobachten, sondern auch die Polizeiagentur Europol einen eigenen Bericht vorlegen.

Gespräche mit Türkei über Visa-Liberalisierung

Daneben hat Montenegro, das sich ebenfalls um eine Aufnahme in die Nato bemüht, auch mit ökonomischen Sorgen zu ringen. Die Wirtschaft ist im Vorjahr zwar um zwei Prozent gewachsen, doch sind fast 30.000 Menschen arbeitslos - und damit jeder fünfte Einwohner. Der durchschnittliche Monatslohn überschreitet kaum 700 Euro; und der Lebensstandard entspricht nicht einmal der Hälfte des Durchschnittswertes in der EU.

Allerdings genießen die Montenegriner bereits etwas, was ein anderes Beitrittskandidatenland wohl erst in ein paar Jahren bekommt: Visumfreiheit bei Reisen in die Europäische Union. Die Türkei, die sich schon seit Jahrzehnten um eine EU-Mitgliedschaft müht, pocht ebenfalls auf ein Ende der Einschränkungen für ihre Bürger. Seit kurzem kann sie darauf hoffen, dass wenigstens in diesem Bereich wieder etwas Bewegung in die Verhandlungen kommt, die ansonsten so gut wie stillstehen. Vor wenigen Tagen haben nämlich die EU-Minister Gespräche über Reiseerleichterungen beschlossen, die in ein paar Jahren in der Abschaffung der Visapflicht münden könnten.

Die Türkei verpflichtete sich im Gegenzug zur Umsetzung eines Rückübernahme-Abkommens, an dem wiederum die EU brennend interessiert ist. Laut dem Vertrag muss das Land Flüchtlinge wieder aufnehmen, von denen jährlich zehntausende über die türkisch-griechische Grenze in die EU einzuwandern versuchen. Das Abkommen ist nur noch zu unterzeichnen.