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Geständnis vom Vater der Bombe erschüttert Pakistan

Von Wolfgang Tucek

Politik

Der Vater von Pakistans Atombombe, Abdul Qadeer Khan, hat gestanden, Nukleartechnologie an den Iran, Libyen und Nordkorea verkauft zu haben. Die pakistanischen Behörden überlegen nun, ob sie gegen den Nationalhelden ein Gerichtsverfahren eröffnen werden. Neben Khans Rückhalt in der Bevölkerung und bei den Islamisten scheint auch die unklare Rolle der Armee bei den Atomgeschäften heikel.


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Ein pakistanischer Regierungssprecher sagte gestern, Khan habe "vor einigen Tagen" eine schriftliche Erklärung abgegeben, in der er zugibt, in den späten achtziger und frühen neunziger Jahren Nukleartechnologie an den Iran, Libyen und Nordkorea verkauft zu haben. Damit versuchte die Regierung, die anhaltenden Proteste der Khan-Anhänger gegen die Ermittlungen gegen führende pakistanische Atomwissenschaftler zu beruhigen.

Am Samstag war Khan von seinem 2001 angetretenen Posten des wissenschaftlichen Sonderberaters von Premier Pervez Musharraf entlassen worden und steht seither unter Hausarrest. Über 15 Mitarbeiter der pakistanischen Atomwaffen-Forschungszentrale Kahuta Research Lab, dessen Chef Khan von 1976 bis 2001 war, wurden verhört. Sechs der Wissenschaftler befinden sich in Untersuchungshaft, davon sollen vier bereits Geständnisse abgelegt haben.

Rückhalt in der Bevölkerung

Khan vor Gericht zu stellen ist eine heikle Angelegenheit in Pakistan, wo er als Volksheld dafür verehrt wird, nicht nur die erste Atombombe des Landes, sondern der islamischen Welt überhaupt gebaut zu haben. Daher rührt auch sein Rückhalt bei den Islamisten weit über die Grenzen Pakistans hinaus, den er durch seine Eigendefinition als "islamischer Nationalist" auch pflegt.

Bis vor kurzem hatte er sich noch entschieden gegen alle Vorwürfe zur Wehr gesetzt und das westliche Ausland beschuldigt, ihn anschwärzen zu wollen, weil er den indischen Plan, Pakistan zu zerstören, durch den den Bau der Bombe 1998 unterminiert habe.

Regierungsgegner toben

Dieses Argument haben seine Anhänger dankbar aufgegriffen und werfen Musharraf nun vor, durch die Ermittlungen gegen Khan dem Druck des Westens - vor allem der USA - nachzugeben und den Topwissenschaftler als Sündenbock zu opfern. Die Regierung hoffte den seit Tagen demonstrierenden Islamisten mit der Bekanntgabe des Geständnisses nach zweimonatigen Ermittlungen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das islamistische Parteienbündnis MMA hat allerdings schon eine landesweite Kampagne gegen die "Schikanen" für die Atomforscher angekündigt und für Freitag zu einem Generalstreik aufgerufen.

Armee hat nichts gewusst?

Eine Gratwanderung wäre die Anklage gegen Khan auch wegen der unklaren Position von Musharrafs wichtigstem Verbündeten - der Armee. Obwohl die Regierung vehement jede Verwicklung von Militärangehörigen in die Prolieferationsaffäre bestreitet, scheint es verdächtig, dass die äußerst engen Bande, die die Streitkräfte mit dem Research Lab seit den 70er Jahren unterhalten, gerade in diesem Fall völlig ausgelassen haben sollen - in einer Zeit, als es noch Khan Research Lab hieß und mit in Holland gestohlenem Know-How die Bombe baute und die Raketen dazu, die auf nordkoreanischer Technik basieren.

Für Pakistan könnte sich ein Verfahren gegen Khan als Büchse der Pandora erweisen, wenn der mächtige Atomwissenschaftler über Mittelsmänner in Regierung oder Militär öffentlich referieren sollte. Das Renomee als "verantwortungsvolle Atommacht", wie es Musharraf immer propagiert, könnte dadurch nachhaltigen Schaden erleiden.