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Gestärkt durch Sanktionen?

Von David Stadelmann

Gastkommentare
David Stadelmann ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth, Fellow am Center for Research in Economics, Management and the Arts (CREMA), Fellow am Centre for Behavioural Economics, Society and Technology (BEST), Fellow am Institute for Research in Economic and Fiscal Issues (IREF), Fellow am Ostrom Workshop (Indiana University) sowie Mitglied des Walter-Eucken-Instituts.
© privat

Strafmaßnahmen schwächen die Wirtschaft, aber nicht zwangsläufig auch das Regime.


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Viele autokratische Regierungen leben mit Sanktionen recht gut, relativ stabil und vor allem lange, wie die Regime von Fidel Castro auf Kuba, Saddam Hussein im Irak, Bashar al-Assad in Syrien, dem Kim-Clan in Nordkorea oder den Mullahs im Iran zeigen. Sanktionen schwächen die Wirtschaft des betroffenen Ziellandes. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass sie auch das Regime schwächen. Denn Sanktionen verändern sowohl den wirtschaftlichen Spielraum des Regimes als auch jenen der Bürger sowie - falls in nennenswertem Ausmaß vorhanden - der Opposition. Eine Reihe von ökonomischen Mechanismen spielen dabei eine fundamentale Rolle.

Sanktionen in Form einer Einschränkung der Importmöglichkeiten des sanktionierten Landes erhöhen dort die Knappheit. Das macht die entsprechenden Produkte und ihre Alternativen teurer. Die Einschränkung von Importmöglichkeiten wirkt dementsprechend ähnlich wie Protektionismus. Dieser hat fatale Folgen für die freie Wirtschaft und führt zu vielen Verlierern. Doch es gibt auch Profiteure. Es sind jene, die aus den höheren Preisen der knapp gewordenen Güter sowie ihrer Alternativen Gewinn schlagen können. Oft werden die Alternativen von dem Regime nahestehenden Kreisen produziert, und die Inlandsproduktion wird vom Regime mitkontrolliert, womit beide durchaus zu den Profiteuren gehören können. Auf Kuba saß das Castro-Regime auch nach Jahrzehnten mit Sanktionen fest im Sattel und kontrollierte große Teile der Produktion - ebenso wie die Revolutionsgarden im Iran.

Die Verknappung kann eine Rationierung der betreffenden Produkte und ihrer Nachprodukte notwendig machen. Die Verwaltung der Knappheit und die Verteilung der noch vorhandenen Güter übernimmt das Regime nur allzu gerne. Dadurch kann es "Kollaboration" erzwingen. Regimetreue Kreise werden bei der Verteilung bevorzugt behandelt, regimekritische Geschäftsleute dagegen lässt man leer ausgehen.

Sanktionen bewirken Ausweichbewegungen in Form von Aktivitäten, die dem Schmuggelwesen ähneln. Das Schmuggelwesen fällt regimenahen Gruppen oft leichter als gewöhnlichen Geschäftsleuten. Während das Ausland das Schmugglerwesen zu unterbinden sucht, damit die Sanktionen möglichst eingehalten werden, versucht das Regime das Schmugglerwesen zu kontrollieren und die Gewinne daraus abzuschöpfen. So häufte das Baath-Regime unter Saddam Milliarden an Petrodollars während der Zeit der Irak-Sanktionen an.

Umsturz wegen Sanktionen ist wenig wahrscheinlich

Der Abzug ausländischer Unternehmen und Investoren aufgrund von Sanktionen führt zum Verkauf von deren Beteiligungen. Im Regelfall ist der Abzug für die betreffenden Unternehmen mit einem Verlust verbunden, weil sich schnelle Verkäufe nur zu tiefen Preisen realisieren lassen. Über die notwendigen Geldmittel zum Kauf der zu Schleuderpreisen offerierten Beteiligungen verfügen eher regimenahe Gruppierungen. Teilweise enteignen die sanktionierten Regimes die noch vorhandenen ausländischen Unternehmen, was wegen der Krise auf wenig Widerstand stößt.

Könnte es nicht sein, dass sich die Bürger im sanktionierten Land aufgrund der hohen Kosten gegen das Regime erheben? Das ist möglich, aber nicht besonders wahrscheinlich. Politischer Widerstand gegen ein autokratisches Regime ist ein öffentliches Gut: Die Kosten des Widerstands tragen jene, die sich engagieren, der Nutzen des Widerstands kommt allen zugute. Die Anreize, zu opponieren, sind daher klein, und eine gut organisierte politische Opposition wäre notwendig. In einer Krise kommt hinzu, dass das Regime jede oppositionelle Regung noch stärker unterdrückt als sonst. Darüber hinaus folgt auf ein autokratisches Regime leider nur selten eine demokratische, bürgerorientierte Regierung. Und ein mögliches Machtvakuum mit dem verbundenen Chaos nach einem Umsturz ist für die Bevölkerung oft noch schlimmer als die wirtschaftliche Verarmung aufgrund von Sanktionen.

Trotzdem können Wirtschaftssanktionen sinnvoll sein. Je stärker sie ausfallen, desto mehr schwächen sie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Ziellandes. Diese Schwächung kann das militärische Potenzial reduzieren. Auf das Aggressionspotenzial wirken Sanktionen allerdings im Regelfall nicht kurzfristig, denn die Waffen für bestehende Aggressionen sind ja bereits vorhanden. Mittel- und längerfristig kann sich die vom Regime ausgehende Gefahr reduzieren oder auf angrenzende, schwächere Länder begrenzen lassen. Darüber hinaus können Sanktionen als ein Signal verstanden werden, dass freie, demokratische Länder bereit sind, Kosten einzugehen, um sich und ihre Werte zu verteidigen.

Illustrationen: stock.adobe.com / Nigar, dlyastokiv, avaicon (2)