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Gestatten, ich scanne Sie nur kurz

Von Eva Stanzl

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Künftig werden wir mit Smartphones alle Objekte jederzeit dreidimensional scannen können. Forscher haben die Demoversion einer App vorgestellt, die Museumsobjekte, Häuser, Gräser, Wälder, Insekten im Flug und Menschen in Lebensgröße vermisst und innerhalb von Augenblicken in dreidimensionale Bilder verwandelt. Schüler, die ihre Sitznachbarn frotzeln wollen, können dann deren 3D-Scans ins Internet stellen, auf dass Fremde sie von allen Seiten studieren. Porno-Betreiber könnten ihre Welt anschaulicher machen und sogar naturgetreue Gummipuppen erzeugen, denn 3D-Drucker spucken Kopien von gescannten Objekten aus. "So geben Sie Fotos von geliebten Menschen eine dritte Dimension", lockt die weibliche Stimme im Demo-Video. Was so weich klingt wie Faserschmeichler, lässt in Wirklichkeit die bisher bekannten Aktivitäten des US-Geheimdiensts NSA wie das DOS-System der Spionagewelt erscheinen. Ist die geliebte Person nämlich ein Krimineller, wird sie mittels Scan leichter erwischt. Originalgetreue Puppen könnten die Steckbrieffotos der Kriminalbehörden ersetzen. Sogar der Abstand zwischen zwei Fingern wäre dann aktenkundig. Das Traurigste daran ist aber, dass wir mitmachen werden. Eine Menschheit, die ihre Urlaube im Internet aufs Tablett legt und Fotos ihrer Kinder in die Welt postet, wird es sich auch nicht verkneifen, ihre Wohnungen bis in jede Schublade zu scannen. Wir verschenken unser Privatleben für Peanuts und bejammern dann, dass wir überwacht werden. Wer so sorglos mit sich umgeht, anstatt "Stopp!" zu schreien, hat es aber vielleicht gar nicht anders verdient.