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Diplomatischer Protest ist der ultimative Ausdruck politischer Hilflosigkeit. Wo nicht gehandelt werden kann - egal, ob aus Mangel an Einfluss, Einsicht oder Konzepten -, muss eben die symbolische Geste ausreichen. Angesichts des blutigen Bürgerkriegs in Ägypten bleibt Europa und dem Rest der Welt nichts anderes als dieser machtpolitische Offenbarungseid.
Die westliche Ratlosigkeit ist allerdings verständlich. Revolutionen der Moderne sind in diesem kulturellen Kontext stets mit einem Aufbruch verbunden, der - zumindest in der Theorie - den Werten der Aufklärung verpflichtet ist. In Ägypten dagegen brachte der demokratische Umsturz die Werte der Theokratie an die Schalthebel der Macht. Und ausgerechnet ein Putsch der Generäle mutierte zum Hoffnungsträger für eine Restauration säkularer Machtverhältnisse . . .
In Ägypten, wie auch anderswo im islamischen Raum, kommt man mit den althergebrachten europäischen Begriffen nicht mehr weiter, um die Lage zu entwirren und wenigstens konzeptuelle Ordnung ins Chaos zu bringen. Dass ausgerechnet Armeechef Abdel Fattah al-Sisi während eines Ausbildungskurses beim US-Militär eine Studie über die Demokratisierung des Nahen Osten geschrieben, aber später von einer Veröffentlichung abgesehen haben soll, passt in dieses Schüttbild eines Demokratie-Experiments, das sich auf dem besten Weg zurück in die Diktatur befindet - Bürgerkrieg im Untergrund inklusive.
Sogar die Wut der Muslimbrüder über die mehr oder weniger offene Unterstützung des demokratischen Westens für die Armee wird da irgendwie verständlich: Aus deren Sicht messen Europa und die USA beim Thema Demokratie mit zweierlei Standards - dabei sprechen beide Seiten von völlig unterschiedlichen Dingen, wenn sie über das Wesen der Volksherrschaft reden.
Dass Europa hilflos zusehen muss, wenn eine benachbarte Region in Krieg und Chaos abdriftet, dafür war seit 1945 genug Zeit, sich daran zu gewöhnen. Neu ist, dass auch die einzige globale Supermacht, die USA, zum Appellieren und Finanzieren verurteilt ist; und zwar auch dann, wenn - wie im Fall Ägyptens -massive nationale Interessen Washingtons betroffen sind.
Der islamische Herbst zeichnet in seiner ganzen Tragödie ein bemerkenswert akkurates Bild von der Lage der internationalen Beziehungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts.