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Gesucht: Alternative

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Den Regierungsparteien überschäumenden Reformeifer zu unterstellen, wäre in der Tat vermessen. Allerdings hat das Koalitionsübereinkommen nun plötzlich eine Bedeutung erhalten, als ob es der ultimative EU-Verfassungstext wäre. Dabei ist es ein Arbeitspapier, nicht mehr.

Genauso wäre es möglich gewesen, bombastische Projekte hineinzuschreiben - die Reaktion darauf wäre genauso vernichtend gewesen, nach dem Motto: Die bringen das nie durch.

Und die Regierung hätte diese notwendigen Reformen auch nicht durchgebracht. Allein das Faktum, den üppigen Finanzausgleich - trotz angeblicher Budget-Sorgen - bis Ende 2016 zu verlängern, zeigt die Grenzen, welche die Landeshauptleute gezogen haben. Es kann also nicht das Koalitionsabkommen sein, das nun zu den Abgesängen führt. Das hält nie fünf Jahre, ist zu hören. Unambitioniert, ein 27-jähriger Außenminister, falsche Ziele, etc. etc.

Was in der Bevölkerung und den Parteien selbst Zorn weckt, ist die weltanschauliche Richtungslosigkeit, die im Papier steckt. Es ist darin weder eine soziale noch eine liberale Lenkung erkennbar. Österreich muss nicht neu erfunden werden, auch nicht den kommenden fünf Jahren - das ist der Tenor des Koalitionspapiers. Viel Verwaltungstechnik, wenig politische Vision.

Genau darin liegt die Gefahr für SPÖ und ÖVP. Ihre jeweilige Kernklientel findet sich darin nicht mehr wieder. Die will politische Kunst sehen und nicht Handwerk.

Genau dabei spießt es sich bei den angeblich Mächtigen des Landes. Zerrieben zwischen Vereinbarungen der Europäischen Union und apodiktischen Forderungen der Bundesländer wird die Koalitionsregierung zu einem flachen Kiesel, der seine Form auf dem Weg des geringsten Widerstandes erhielt.

Gewinner der Entwicklung sind die Oppositionsparteien, vor allem jene mit kräftigem Profil. FPÖ und Neos legen in den Umfragen zu. Nun, auch urbane SPÖ-Wähler, die jetzt zu den Neos tendieren, wären entsetzt, wenn deren Pensionsmodell umgesetzt werden würde. Und würde die FPÖ als Regierungspartei tatsächlich den Schilling wieder einführen, wäre das Heulen und Zähneknirschen groß.

SPÖ und ÖVP, so meinen alle, haben das letzte Mal miteinander koaliert. Mag sein und ist vermutlich gut so. Aber ob eine Alternative realpolitisch mehr zustande bringt?