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Außerhalb des regulären parlamentarischen Betriebs gab es im Hohen Haus im Februar Veranstaltungen mit unterschiedlichen politischen Akzenten: Von Geschichte und Design (siehe Kasten) bis zur
parlamentarischen Vision für das 21. Jahrhundert.
Internationale Besetzung im Budgetsaal. In der letzten Februar-Woche tagten dort 15 Parlamentspräsidenten aus Ländern rund um den Globus: Von Südafrika, Indien bis Moskau. Es war eine Arbeitstagung
der Interparlamentarischen Union, deren Motto lautet: Parlamentarier aller Länder vereinigt euch.
Bei der Wiener Tagung ging es darum, eine Milleniumskonferenz für die zweite Hälfte des Jahres 2000 vorzubereiten, die im Generalversammlungssaal der UNO in New York abgehalten werden soll.
Gastgeber Heinz Fischer und IPU-Präsident Miguel Angel Martinez erläuterten die Ziele dieses historischen Treffens an der Schwelle des nächsten Jahrhunderts. Es gehe darum, eine parlamentarische
Vision für das 21. Jahrhundert zu entwickeln.
Man erwarte sich auch eine Neugestaltung der Zusammenarbeit zwischen der Interparlamentarischen Union und den Vereinten Nationen. Darüber hinaus wolle man neue Denkansätze für die Weltgemeinschaft
entwickeln: Wie man internationale Kooperationen gestalten soll und wie sich Menschenrechte und Demokratien entwickeln werden.
UNO versus Parlament
Angestrebt wird im Rahmen der Milleniumskonferenz ein formales Abkommen zwischen UNO und der Interparlamentarischen Union. Die IPU will in die Aktivitäten der UNO eingebunden sein. Dies erfordert
eine Definition der Rolle der nationalen Parlamente bei der Umsetzung von UNO-Beschlüssen.
Es sei hoch an der Zeit, eine neue Partnerschaft zwischen Parlamenten, Regierungen und der Weltorganisation zu entwickeln, lautete eine der Botschaften aus der Wiener IPU-Arbeitstagung. Denn der
Verwaltung im Kontext mit Demokratie und Menschenrechten werde höchste Priorität eingeräumt.
Ein Forum mit Tradition
Die Interparlamentarische Union blickt auf eine lange Tradition zurück. Sie existiert bereits seit 110 Jahren. Die Union war also schon lange vor der Existenz des Völkerbundes ein ständiges
internationales politisches Forum. In der IPU sind überfraktionell Mandatare aus 136 Ländern vertreten.
Gastgeber Heinz Fischer erinnerte seine Kollegen aus dem Ausland, daß die Milleniumskonferenz die Ausgangsbasis sein müsse, eine quasi "parlamentarische Dimension" der Vereinten Nationen zu
postulieren. Fischer nutzte das Forum, zu einem sensitiven Thema, zum Fall Abdullah Öcalan, Stellung zu nehmen.
Öcalan und Interparlamentarische Union
Heinz Fischer sagte zu diesem Fall wörtlich: "Wir haben das Recht und die Pflicht, einen fairen Prozeß zu erwarten und dies in Abstimmung mit den international üblichen Rechtsstandards.
Internationale Beobachter sollten den Prozeß verfolgen dürfen."
Er, Fischer, glaube, daß auch die Interparlamentarische Union diesem Fall volle Aufmerksamkeit widmen müsse. Man dürfe ihn nicht isoliert sehen, sondern im Zusammenhang mit politischen Grundrechten.
Heinz Fischer erhofft sich von der gegenwärtigen Entwicklung rund um den Fall Öcalan neue Wege zur friedlichen Lösung der Kurdenfrage in der Türkei.
Bilaterale Rendezvous
Außerhalb der Wiener IPU-Arbeitskonferenz konferierte Hausherr Heinz Fischer in seinem Arbeitszimmer mit mehreren ausländischen Kollegen. Zunächst mit der schwedischen Reichstagspräsidentin
Brigitta Dahl, mit dem Vorsitzenden der italienischen Abgeordnetenkammer, Luciano Violante und Fischers längstes "Bilaterales Rendezvous" war dann jenes mit dem Präsidenten der Russischen Staatsduma,
Gennadij Selesnjow.
Der Russe aus dem Lager der Kommunisten erläuterte Fischer Moskaus Standort in der kritischen Kosovo-Frage. Selesnjow ließ keinen Zweifel daran, daß man eine NATO-Intervention ablehne und man ein UNO-
Mandat auf jeden Fall vorziehe.
Weitere Themen: Die Lage der russischen Finanzen und die Konstruktion des österreichischen Nationalfonds (für Wiedergutmachung). Der Russe wollte wissen, wie dieser funktioniere und mit welchen
Resultaten. Selesnjow ließ schließlich auch durchblicken, daß man in der Duma ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Boris Jelzin anstrebe.
Wenn ein solches zustandekommen sollte, dann sei der Hintergrund nicht etwa eine Praktikantin im Kreml, sondern der verlustreiche Tschetschenien-Krieg, den man der Amtsführung des Präsidenten
anlaste, philosophierte Fischers Gesprächspartner aus Moskau.
Reminiszenz in Silber
Vitrinen im Foyer des Bundesrats und am Rande der Säulenhalle erinnerten bis Anfang März an eine vergangene und versilberte Beziehung zwischen Wien und dem Tiroler Städtchen Schwaz.
In den Schaukästen: Objekte und Bilder, die über den Traditionsreichtum der ehemaligen Bergwerksstadt informierten. Als Sonderschau: Schmuck des Schwazer Bildhauers Arno Schneider. Design und Preise
ließen die Herzen der Ausstellungsgäste höher schlagen. Anlaß der Ausstellung "Silberstadt Schwaz": Vor 100 Jahren wurde die Tiroler Gemeinde Schwaz von Kaiser Franz Joseph I. zur Stadt erhoben.
Als politischer Pate der historischen und künstlerischen Selbstdarstellung der Silberstadt: Bundesratspräsident Gottfried Jaud. Er stammt aus dem Schwazer Bezirk. Zum 100jährigen Jubiläum der
Stadterhebung erfuhr man, wie eng die Beziehungen zwischen den Schwazer Tirolern und den Habsburger Wienern waren. Was freilich nicht verwundern darf. Schwaz war dank des ehemaligen Silberreichtums
und als Handelsstützpunkt der Fugger in der Lage, der Monarchie finanziell immer wieder unter die Arme zu greifen. Die sei wohl die Erklärung dafür, warum man die Tiroler in der Bundeshauptstadt
stets gern sehe, folgerte der Bundesratspräsident am Ende dieser versilberten historischen Reminiszenzen.Õ
Berndt Ender ist Mitarbeiter der ORF-Parlamentsredaktion