Schwierige Suche nach Alternative. | Freiwilliger oder verpflichtender Sozialdienst oder Berufspersonal. | Wien. "Mit großer Sorge" beobachtet die Österreichische Offiziersgesellschaft die von Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) im Wiener Wahlkampf losgetretene Diskussion über die Abschaffung der Wehrpflicht. | Gastkommentar: Zwangsarbeit oder Bürgerpflicht?
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Die Offiziere fordern die Beibehaltung der Wehrpflicht, denn die "Inlandsaufgaben", also etwa Katastrophenhilfe, würden eine "höhere Truppenstärke erfordern", schreiben sie am Dienstag in einer Aussendung. Doch nicht nur für die österreichischen Streitkräfte hätte die Aufhebung der Wehrpflicht drastische Folgen. Auch der gesamte Zivildienst hängt an der Wehrpflicht.
Fällt die Wehrpflicht, fällt auch der Zivildienst in seiner derzeitigen Form, und das bedeute entweder gravierende Leistungseinschnitte oder gravierende Kosten, warnten am Dienstag die größten Zivildienst-Trägerorganisationen Rotes Kreuz und Arbeitersamariterbund. Wälzt man also Überlegungen, ob man den (für Männer) verpflichtenden Dienst an der Waffe abschaffen soll, wird man gleichzeitig Alternativen zum Zivildienst überlegen müssen.
Auch Bundeskanzler Werner Faymann stellte am Dienstag nach dem Ministerrat klar, dass man auch den Zivildienst in die Überlegungen einbeziehen müsse. Dass man den Präsenzdienst nur wegen des Zivildienstes aufrechterhält, ist für ihn aber "nicht vorstellbar". Daher werde es auch hier "andere Lösungen" brauchen. Wie könnten diese "anderen Lösungen" aussehen?
* Freiwilliger Sozialdienst: Eine Möglichkeit, die jährlich rund 13.000 Zivildiener zu ersetzen wäre ein freiwilliger sozialer Dienst, wie ihn etwa die Caritas als "tragfähige Ersatzlösung" fordert. Die Schwierigkeit des freiwilligen Sozialdienstes liegt in fehlenden Anreizen. Daher räumen weder Rotes Kreuz noch Arbeitersamariterbund dieser Option großes Potenzial ein.
Schon seit 1968 gibt es übrigens die Organisation "Freiwilliges Soziales Jahr" (FSJ), in dessen Rahmen sich jährlich rund 250 junge Personen - in anderen Bereichen nochmals rund 200 - in sozialen Einrichtungen engagieren. Viele von ihnen nutzen dieses Angebot als "Berufsorientierung für den Sozialbereich", wie die Bildungsreferentin des FSJ, Margarethe Hangler, gegenüber der "Wiener Zeitung" betont.
* Verpflichtender Sozialdienst: Das Manko des fehlenden Anreizes fiele beim verpflichtenden Sozialdienst weg, weil eben verpflichtend - und zwar für Männer wie Frauen. Ein solcher wäre laut Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk zulässig und bis zu einem dreiviertel Jahr "unproblematisch". Das sehen freilich nicht alle so. So spricht etwa Wirtschaftsforscherin Gudrun Biffl von der Donau-Universität Krems von einer "Zwangsjacke" (siehe unten).
* Berufspersonal: Die dritte Alternative zum derzeitigen Zivildienst wäre, die Zivildiener durch Berufspersonal zu ersetzen. Dies würde das System zwar deutlich verteuern - von derzeit rund 60 Millionen Euro auf über 300 Millionen, wie der stellvertretende Rot-Kreuz-Generalsekretär Werner Kerschbaum sagt -, allerdings würden sich dadurch auch Chancen für den Arbeitsmarkt ergeben. In der Schweiz ist übrigens gerade der Arbeitsmarkt das Argument gegen eine Ausweitung des Zivildienstes. Dieser soll zwar einen Dienst an der Gesellschaft darstellen, darf aber keine bestehenden Arbeitsplätze gefährden, so das Credo.
Rund ein Viertel der Wehrpflichtigen entscheidet sich heute für den Zivildienst. Diese kommen in rund 1170 Trägerorganisationen zum Einsatz, wobei fast die Hälfte der rund 13.000 bei den Blaulichtorganisationen Rotes Kreuz und Arbeitersamariterbund unterkommen. Eingesetzt werden die "Zivis" aber auch in der Betreuung von Alten, Ausländern, Kindern, Jugendlichen oder Drogensüchtigen, in NS-Gedenkstätten oder im Umweltschutz. Für ihre Tätigkeit bekommen sie eine monatliche Vergütung von knapp 290 Euro plus Verpflegung.
Regelmäßig im Einsatz gegen Hochwasser
Nicht nur die Hilfsorganisationen profitieren von der Wehrpflicht. So fragte am Dienstag die ÖVP: "Was bedeutet ein Berufsheer für die Einsatzbereitschaft des Heeres in Katastrophenfällen?" Präsenzdiener können etwa im Falle von Hochwasser problemlos auch längere Zeit eingesetzt werden, ohne dass sie beruflich dafür freigestellt werden müssen. Das ist ihr großer Vorteil gegenüber den mehr als 300.000 freiwilligen Feuerwehrleuten in Österreich. Diese stellten jedoch eine "enorme Kampfkraft" dar und könnten die Soldaten rein von der Manpower her problemlos ersetzen, meint Franz Rath vom Berufsfeuerwehrverband. Allerdings will auch er nicht auf das schwere Gerät - Hubschrauber oder Bergepanzer - des Heeres verzichten. Dieses stünde den Feuerwehren schlicht nicht zur Verfügung.
Rotes Wehrpflicht-Dogma auf dem Altar der Wiener Wahl