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Gesucht: Helden des Alltags

Von Walter Hämmerle

Leitartikel

Zorn macht nicht nur verbittert, Zorn treibt auch immer mehr Menschen in ihrem politischen Handeln an. Islamistische Terroristen, fanatische Tierschützer, die Anhänger der Tea-Party-Bewegung in den USA gegen Barack Obama, die Demonstranten gegen den Neubau des Stuttgarter Bahnhofs, die zunehmend gewalttätigen Proteste gegen die Pensionsreform in Frankreich...


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In Österreich ist der Zorn - nationalcharakterlich bedingt - zum Frust herabgestuft, vulgo auch Gesudere genannt. Von einem "heiligen Frust" lässt sich demnach schlecht sprechen - vielleicht liegt hierin eine tiefere Ursache für unsere Unfähigkeit, ernsthafte Debatten über ernsthafte Themen zu führen. Wir gleiten allzu leicht ins Weinerliche, Beleidigte ab.

Zweifellos fungiert aber auch hierzulande der Frust als eine der stärksten politischen Triebfedern. Das Wiener Wahlergebnis oder die Proteste der Studenten sind nur zwei aktuelle Beispiele. Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen.

Über die Rolle der Medien in dieser Entwicklung ließe sich trefflich streiten. Auch in Österreich sind sie in ihrem biederen Doppelpass-Spiel mit den jeweils Scheinmächtigen wohl nicht ganz schuldlos.

Arianna Huffington, Mitbegründerin und Chefredakteurin der linksliberalen Online-Zeitung "The Huffington Post", setzt nun dem Zorn der US-Bürger eine bemerkenswerte Initiative entgegen: Täglich will die "HuffPost" künftig die "Greatest Person of the Day" küren, quasi einen Helden des Alltags. Gesucht werden Bürger, die sich nicht länger mit ihrer Rolle als taten- wie willenlose Opfer der übergeordneten polit-ökonomischen Zusammenhänge abfinden und deshalb selbst die kleineren und größeren Probleme ihres Alltags in die Hand nehmen. Zu Hause, in der Nachbarschaft, in der Gemeinde oder im Land.

Dieses hohe Lied auf die Kraft von Gemeinschaft, Individualismus und Solidarität rührt natürlich an die Ur-Instinkte der US-Gesellschaft - zumindest an die Mythologie des "American Way of Life". In Österreich können wir uns darüber lustig machen oder davon lernen. Leider aber sagen hierzulande die Bürger so gut wie nie "Yes, We Can" sondern meistens nur "Der Staat soll".