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Von Pakistan bis Marokko spannt sich ein - vornehmlich islamisch geprägter - Länderbogen, der von politischer Instabilität, wirtschaftlicher Rückständigkeit und grundlegenden Demokratiedefiziten beherrscht ist. Aufgrund der strategischen Bedeutung dieser Großregion - Stichwort Öl -, versuchen die USA neben ihrer militärischen Präsenz auch eine "weiche" Stabilisierung nach dem Vorbild des "Marshall-Plans".
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Zwischen Demokratie, Frieden, Wohlstand, einer funktionierenden Zivilgesellschaft und Fortschritt besteht für Richard Haass, Direktor des Policy Planning Staff, ein direkter und enger Zusammenhang. Dies, so Haass in einem Referat vor dem Council on Foreign Relations im Dezember 2002, ließe sich an zahllosen Beispielen in der Geschichte festmachen. Während Europa nach dem Zweiten Weltkrieg als Musterbeispiel mit positivem Ausgang gilt, zeigen sich im Mittleren und Nahen Osten die negativen Folgen, wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt werden.
Ein weiter Bogen, vom Islam geprägt
Der Raum des "Greater Middle East" umschließt aus amerikanischer Sicht den Bogen von Marokko bis Pakistan. Dabei handelt es sich um eine traditionell ökonomisch sehr unterschiedlich geprägte Region mit teilweise sehr schwachen Wirtschaften und Regierungen. Die Wechselwirkungen zwischen schwachen Wirtschaften, Regierungen und gesellschaftlich inkohärenten Akteuren haben die Region zu einem "traditionellen Multi-Krisenherd" mit globalen Konsequenzen werden lassen. Viele der Staaten gelten zumindest als indirekte Unterstützer (d. h. durch Duldung) terroristischer Gruppierungen oder aber sind selbst vom Terror als Opfer betroffen. Zum Großteil handelt es bei den Staaten, die diesen Krisenbogen umschließen, um islamische Staaten.
Trotz ihrer Schwächen hat diese Großregion einen mehrfachen geopolitischen und geostrategischen Wert, sowohl für die USA als auch für die Europäische Union (vor allem wegen der Öl- und Gasreserven; daneben besteht aber auch ein sehr hohes Migrationspotenzial aufgrund großer sozialer Gefälle).
Ohne die USA geht gar nichts
Seit der Besetzung des Irak verfügen die USA nicht mehr nur über die strategische Lufthoheit, sondern sind auch am Boden die mit Abstand stärkste Militärmacht im Mittleren und Nahen Osten. Dies hat zur Folge, dass in absehbarer Zeit kein Staat mehr die Rolle einer Regionalmacht übernehmen wird können. Weder Saudiarabien noch Ägypten oder Israel werden in der Lage sein, die Region zu dominieren oder eine Stellvertreterrolle für die USA zu übernehmen. Ihre Politik wird sich dementsprechend an der direkten Anwesenheit der USA orientieren müssen. Für die kleineren Staaten ergibt sich daraus ein größerer Spielraum: Sie können ihre Beziehungen zu Washington gleichgestellt mit den ehemaligen Regionalmächten und ohne deren Vermittlung gestalten.
Stabilisierungsversuche für einen Krisenbogen
Im Wissen um die langfristige globale Bedeutung dieser Region versuchen die USA seit einiger Zeit, ihre militärstrategische Politik um ein "weiches" Element zu erweitern. Diesem Zweck dient die so genannte Greater Middle East Initiative (GMEI). Die Initiative basiert einerseits auf den US-Überlegungen zu nationalen Interessen und andererseits auf Ergebnissen des Arab Human Development Reports für 2002 und 2003, im Zuge dessen arabische Wissenschafter eine kritische Selbstanalyse vornahmen.
Diese umfasst u. a. eine mangelnde Integration in das Weltwirtschaftssystem, nicht ausreichende ausländische Investitionen, infrastrukturelle Defizite, hohe Arbeitslosigkeit, eine ausgeprägte, korrupte Bürokratie, weit reichende Bildungsdefizite sowie hohe Ungleichheiten zwischen Mann und Frau. Die Weltbank schätzt, dass in der Großregion etwa 100 Millionen neue Arbeitsplätze bis zum Jahr 2020 geschaffen werden müssen, um mit der wachsenden Bevölkerung und deren Bedürfnissen auch nur annähernd Schritt halten zu können.
Kritiker der GMEI meinen, dass es sich bei dem Konzept um "Hüllen ohne Fülle" handelt. Im Februar 2004 lehnten sich vornehmlich arabische Staaten gegen die Initiative auf, da sie darin einen Eingriff in ihre innere Angelegenheiten sahen.
Das Konzept wurde nun in überarbeiteter Form beim G-8-Gipfel Anfang Juni erneut präsentiert. Dabei versicherte man sich vorab der G-8-Unterstützung. Zweifellos ist die Befriedung dieser Region eine mehrere Generationen umfassende Aufgabe, die im Interesse aller ist. Die GMEI ist - bei aller berechtigter Kritik - immerhin ein erster Schritt.