Tag der Entscheidung für Marcel Koller. So oder so muss sich im ÖFB-Team etwas ändern.
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Wien. Würde sich Österreich an seinem großen Bruder Deutschland orientieren, stünde der neue Trainer des Nationalteams längst fest: Marcel Koller wäre sein eigener Nachfolger. Denn sechs Jahre Amtszeit sind im Vergleich zu Joachim Löw, der der DFB-Auswahl seit 2006 und damit mehr als eine Dekade vorsteht, ein Klacks - und wer auf Kontinuität setzen und erfolgreich sein will, muss auch in (ganz) schlechten Zeiten zu seinem Trainer halten. Doch nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich: Denn Löw hat zwar manch entscheidende Spiele verloren, 2014 aber den WM-Titel geholt. Der 56-jährige Schweizer indes kann weder großartige Erfolge (eine fast makellose EM-Qualifikation ist global betrachtet noch kein rasender Triumph) aufweisen, noch hat er zuletzt den Biss erkennen lassen, das von ihm aufgebaute Team auch Richtung Euro 2020 zu führen.
Die miserable WM-Qualifikation, die für den ÖFB die schlechteste aller Zeiten werden könnte, hängt wie Blei an Koller. Dennoch soll er sich dazu entschlossen haben, seinen bis Dezember laufenden Vertrag zu erfüllen und für eine weitere Verlängerung zur Verfügung zu stehen. Möglicherweise auch nur ein geschickter Schachzug, um den ÖFB unter Druck zu setzen und sich nicht die Blöße des Versagens zu geben. Wie auch immer - am Freitagabend stimmen 13 ÖFB-Präsidiumsmitglieder darüber ab, ob es mit Koller weitergeht oder ein Neuer gesucht wird.
Desaströse Defensive
So oder so, es wird sich auch auf der Trainerbank einiges ändern müssen, damit das Team wieder eine schlagkräftige Truppe wird. Zunächst sind einmal Fähigkeiten punkto Kommunikation und Motivation vonnöten. Was Marko Arnautovic zuletzt eingefordert hat, dass die Misserfolge seit der Euro schonungslos aufgearbeitet gehörten, ist tatsächlich überfällig. Das Trauma von Frankreich spukt immer noch in den Köpfen rum - ebenso wie die dabei offenbar zu Tage getretenen Risse im Mannschaftsgefüge. Hier die Gruppe um David Alaba, Aleksandar Dragovic und Arnautovic, da jene um Julian Baumgartlinger, Martin Harnik und Marc Janko. Wer wieder eine Wohlfühloase schaffen will, muss dafür sorgen, dass die Köpfe durchlüftet werden, und sich dann ans Teambuilding machen.
Apropos Alaba: Auch in der Endlos-Debatte, wo der nominell beste Spieler eingesetzt wird, ist eine Grundsatzentscheidung fällig. Dort, wo er zuletzt agierte - nämlich im Mittelfeld - ist er keine Hilfe; und dass der Bayern-Star sich offenkundig weigern darf, auf seiner angestammten Linksverteidiger-Position zu spielen, ist ein unerträglicher Zustand. Ein Teamchef sollte das Pouvoir haben, hier ein Machtwort zu sprechen, Alaba als Außenverteidiger einzusetzen und damit die zuletzt desaströse ÖFB-Defensive zu stabilisieren.
Schließlich bräuchte das Nationalteam einen Taktik-Fuchs, der in den entscheidenden Momenten den Gegner auszutricksen vermag. Unter Koller hat sich lange das ballbesitzorientierte Pressing-System bewährt, ehe die Gegner den Code knackten und dann Flaute herrschte. Die Dreierkette als Alternative steckt noch in den Kinderschuhen, ganz prinzipiell sollte die Mannschaft aber mehrere Optionen haben, wenn es gerade nicht läuft oder wenn der Gegner - wie zuletzt sehr oft - zur Pause umstellt. Alles leichter gesagt als getan in einem Betrieb, wo der Chef seine gut 20 Spieler nur ein paar Mal im Jahr für wenige Tage zu Gesicht bekommt. Was auch erklärt, dass das Feld neuer Teamchef-Kandidaten überschaubar ist - die Kaliber sind nicht zu bekommen, etliche zieren sich, die meisten kommen gleich nicht in Frage.
Herzog Favorit
Kriegt Koller den Laufpass, scheint alles auf einen Zweikampf zwischen Andreas Herzog und Franco Foda hinzustreben. Auf Österreichs Rekord-Internationalen treffen viele Attribute zu, die eine Trainerfindungskommission verlangen dürfte: WM-Erfahrung als (Co-)Trainer (und Spieler), Erfolge, Motivationskunst, moderne Trainerschule. Was Herzog nicht hat und als seine Achillesferse gilt, ist die Alleinverantwortung für eine Profi-Truppe oder einen Klub. Das könnte den ÖFB, der schon mit dem notorisch erfolglosen Hans Krankl keine glückliche Wahl getroffen hatte, vielleicht abschrecken lassen.
Allerdings ist Herzog Österreicher - und derzeit der einzige rot-weiß-rote Top-Trainer, der sofort verfügbar wäre. Denn ziemlich sicher ist, dass der ÖFB wieder auf einen Landsmann zurückgreifen würde. Denn in Zeiten, in denen die hiesige Ausbildung hochgelobt wird und österreichische Trainer im Ausland wieder reüssieren (sei es Peter Stöger in Köln, Ralph Hasenhüttl in Leipzig oder Adi Hütter in Bern), wäre es eine kapitale Niederlage, keinen Nationaltrainer stellen zu können. Womit Foda, der überdies außer mit Sturm Graz keine Erfolge vorlegen kann, Außenseiter wäre.
Könnten sich die heimischen Fußball-Fans etwas wünschen, sähe der Teamchef sowieso ganz anders aus: Er hätte die Eleganz von Pep Guardiola, die Erfolge von José Mourinho, die Ausdauer von Jogi Löw, den jugendlichen Esprit von Julian Nagelsmann, die Weisheit von Carlo Ancelotti und die Motivationskunst von Jürgen Klopp. Ein Wunderwuzzi also.