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Genmutationen führen schon früh zu schwersten Leiden. | Krankheitsrisiko durch Vererbung alarmierend hoch. | London/Wien.In London wurde am 9. Jänner dieses Jahres, wie berichtet, erstmals ein genetisch ausgewähltes Baby nach künstlicher Befruchtung geboren. Sein Hauptmerkmal: Es wird nicht infolge jener Genmutation erkranken, die in der Familie seines Vaters über drei Generationen zu Brustkrebs und frühem Tod geführt hat.
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Ererbte (konstitutionelle) Genmutationen wie diese (BRCA1) disponieren indessen nicht nur zu Brustkrebs, sondern auch zu Eierstock-, Prostata-, Dickdarm- und Bauchfellkrebs sowie bei BRCA2-Mutationen zuzüglich zu Brustkrebs bei Männern, Pankreas- und Magenkrebs, Leukämien und Melanomen. "Es können auch mehrere der genannten Krebserkrankungen gleichzeitig auftreten", sagt Univ.-Prof. Helga Rehder, Fachärztin für Humangenetik und seit Jahren Gastprofessorin und genetische Beraterin am Department für Medizinische Genetik der Med-Uni Wien.
Fatal ist daran nicht nur das vom jeweiligen Mutationstyp abhängige Lebenszeit-Krebsrisiko von bis zu 80 Prozent und darüber für Brustkrebs sowie von bis zu 55 Prozent und mehr für Eierstockkrebs der BRCA-Mutationsbetroffenen. Häufig erkranken sie auch schon sehr früh: Bei Brustkrebs etwa, der auch beidseitig auftreten kann, häufig schon vor dem 40., zum Teil sogar vor dem 30. Lebensjahr. "Der Beginn der Erkrankung entspricht nämlich nicht dem Zeitpunkt der Diagnose, sondern liegt um Jahre früher", erklärt die Expertin. Und: "Auch Manifestationen im Kindesalter sind beschrieben."
Screening empfohlen
Deshalb werden den betroffenen Familien Screening-Untersuchungen ab dem 25. Lebensjahr bzw. fünf Jahre vor der frühesten bekannten Krebsmanifestation erkrankter Familienmitglieder empfohlen.
Hinreichende Gründe für Betroffene also, dem Babywunsch die Präimplantationsdiagnostik voranzustellen. Am University College London hatten die Mediziner zu diesem Zweck elf Embryonen im Reagenzglas erzeugt und diese drei Tage nach der Befruchtung auf das Risikogen BRCA1 untersucht. Tatsächlich trugen sechs von ihnen dieses Gen; zwei der gesunden wurden in die Gebärmutter der 27-jährigen Frau und nunmehrigen glücklichen Mutter verpflanzt, von denen sich aber nur ein Embryo dort einnistete: Das kleine Mädchen, das am 9. Jänner gesund zur Welt kam.
Doch während sich der verantwortliche Fortpflanzungsmediziner Paul Serhal auch darüber freut, die Weitervererbung von BRCA1 in dieser Familie beendet zu haben, kritisierten Gegner - vor allem im deutschen Sprachraum - die Auswahl der infrage kommenden Embryonen und nennen dafür ethische Gründe.
Einschränkungen
Während die einen darin den Schritt zum "Designer-Baby nach Wunsch" sehen, halten andere die genannten Risikofolgen im Hinblick auf mögliche künftige Therapieentwicklungen für nicht so dramatisch und wollen die Konsequenzen aus der Präimplantationsdiagnostik auf wenige Ausnahmen wie ohnehin nicht lebensfähige Embryonen oder tödliche, unbehandelbare Stoffwechselerkrankungen beschränkt wissen.
Serhal konterte: Er untersuche Embryonen auf genetische Erkrankungen, nicht aber auf "banale und irrelevante Eigenschaften". Denn: "Brustkrebs ist eine ernsthafte Erkrankung, keine körperliche Eigenschaft." - Und sie gegebenenfalls verhindern zu können, ist eine der Hauptaufgaben der Präimplantationsdiagnostik, will man prädisponierten Familien mit Kinderwunsch und dem Nachwuchs Leiden ersparen.