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Gesund mit Brokkoli und Autos

Von Alexander U. Mathé

Analysen

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Bei Obamas Gesundheitsreform ging es - salopp reduziert - um Brokkoli und Autos. Wenn man Menschen verpflichten kann, eine Krankenversicherung abzuschließen, kann man sie auch zwingen, Brokkoli zu kaufen, argumentieren die US-Republikaner. Doch die Demokraten erwidern: Schon jetzt kann man Menschen zwingen, eine Haftpflichtversicherung für ihr Auto abzuschließen; ist ein Auto wertvoller als ein Mensch?

Ebenso gespalten wie das Land sind die Höchstrichter, denen oft hämisch nachgesagt wird, Politiker im Talar zu sein. Und so stellte auch Richter Antonin Scalia bei der Anhörung des Falles dem Regierungsvertreter die inzwischen berühmte "Brokkoli-Frage".

Die Entscheidung wurde letztlich mit fünf gegen vier Stimmen gefällt, ein Ergebnis, das sich in den vergangenen Jahren gehäuft hat und die Spaltung des Landes unterstreicht. Doch in diesem speziellen Fall übersieht man gerne, dass die Entscheidung deutlicher als sonst ausging. Das rechnet sich so: Von den neun Höchstrichtern werden vier dem demokratischen Lager zugerechnet und fünf dem republikanischen. Unter diesen fünf findet sich allerdings mit Anthony Kennedy ein liberaler Ausscherer, der auch gerne einmal mit den Demokraten stimmt. Doch diesmal war das anders: Er hielt sich an seine konservativen Kollegen, und es war nicht gerade irgendeiner der anderen vier Konservativen, sondern der Vorsitzende, Chief Justice John Roberts höchstpersönlich, der sich der demokratischen Linie anschloss.

Uneingeschränkter Jubel für Präsident Barack Obama? Von einem idealistischen Standpunkt aus gesehen: Ja. Seit Jahrzehnten haben sich US-Präsidenten die Zähne daran ausgebissen, das amerikanische Gesundheitssystem zu reformieren. Dass es ihm gelungen ist, war die Trophäe Obamas schlechthin. Ohne sie wäre er innenpolitisch gesehen nackt dagestanden - und das, nachdem er auf ihrem Altar seine Popularität geopfert und eine Niederlage bei den Kongresswahlen eingefahren hatte. Nazi, Kommunist, Sozialist nannten ihn die Kritiker. Er sei ein Tyrann, einer, gegen den man revoltieren müsse, weil er gegen die Verfassung und das Volk regiere, erklärten konservative Fundamentalisten, allen voran die Protestbewegung Tea Party. Diese Ansicht wurde nun ganz offiziell - und vom eigenen Mann Roberts - entkräftet.

Paradoxerweise ist das Ergebnis strategisch gesehen für Obamas Rivalen im Präsidentschaftswahlkampf, Mitt Romney, gar nicht so übel. Er kann nun weiter argumentieren, dass die einzige Möglichkeit, das Gesetz loszuwerden, die sei, ihn zu wählen. Ob das den Auftrieb, den Obama nun erhält, ausgleichen wird, steht auf einem anderen Blatt.