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Gesund werden ist nicht schwer, dafür bezahlen dagegen sehr

Von Heike Hausensteiner

Politik

Die Pflichtversicherung durch eine private Krankenversicherung zu ergänzen beziehungsweise überhaupt in eine Versicherungspflicht umzuwandeln, ist laut Regierungsprogramm zu überprüfen. FP-Gesundheitsstaatssekretär Reinhart Waneck wird dazu nächstes Jahr eine Expertengruppe beauftragen. Für eine Personengruppe dürfte die freie Wahl der Versicherung aber bereits ab 2001 eingeführt werden: Die Zivildiener sollen laut der Gesetzesnovelle, die im nächsten Jahr in Kraft tritt, vom Rechtsträger "zu günstigeren Konditionen" privat versichert werden können. Indes fürchten die - defizitären - Krankenkassen um ihre Existenz. Die Frage "Pflichtversicherung oder Versicherungspflicht?" ist am Donnerstag Thema eines Symposiums des Instituts für Rechtspolitik in Salzburg.


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"Was etwas Wert ist, darf auch etwas kosten." So das Motto der Regierung. Also soll auch das Kostenbewusstsein von Herrn und Frau Österreicher im Gesundheitswesen gefördert werden. Die Patienten werden immer selbstbewusster, aber werden sie denn auch kostenbewusster? Eine Aufstellung über ihre Behandlungskosten werden sie von ihrem Arzt ab 2003 mitbekommen. Das Gesetz sieht es so vor. Wie das die zuständigen Krankenkassen umsetzen sollen, wissen sie noch nicht. Es gebe keine Vorarbeiten. Die Gesetze würden im Schnellverfahren verabschiedet. "Mit uns redet ja keiner mehr vorher",monieren sie.

Ähnlich lautet die Kritik bei der freien Wahl der Krankenversicherung. "Das wäre ganz schlecht für uns", meint Hans Sallmutter, Präsident des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger, zur "Wiener Zeitung". Die Krankenkassen sind derzeit mit fünf Milliarden Schilling verschuldet. Die Regierung hat ihnen daher den Spargedanken verordnet. Tatsächlich fühlen sich die staatlichen Krankenkassen aber in ihrem "Unglück allein" gelassen.

Über die Versicherungspflicht anstelle der Pflichtversicherung wolle man offiziell erst nächstes Jahr nach einer Expertenrunde diskutieren. Nun sei aber die freie Versicherungswahl in der Zivildienstgesetz-Novelle vorgesehen, die derzeit in Begutachtung ist und 2001 in Kraft treten soll. "Über die Hintertür und ohne Diskussion" würde die freie Versicherungswahl eingeführt. "Wir wären beinahe darübergefallen", ärgert sich der Direktor der Salzburger Gebietskrankenkasse, Harald Seiss.

Unternehmerinteressen

Die Begründung des Gesetzgebers lautet: Rechtsträger von Einrichtungen, bei denen Zivildiener tätig sind, sollen die Möglichkeit haben, mittels privatrechtlichem Vertrag mit Versicherungsunternehmen "zu günstigeren Konditionen für Zivildienstleistende zu sorgen." Der Leistungsumfang der Versicherung muss jenem der gesetzlichen Sozialversicherung entsprechen. Zivildiener seien junge, gesunde Männer. Meist am Beginn ihrer Berufslaufbahn, seien sie eine ideale Zielgruppe für die Werbeaktivitäten der Privatversicherungen, kritisiert Seiss.

Liberalisierungstendenzen in der Krankenversicherung beurteilen die Österreicher eher zurückhaltend. Darauf lässt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts "spectra" schließen: Die Österreicher befürchten höhere Beiträge (44 Prozent) und eine Verschlechterung des Gesundheitssystems (40 Prozent). Die Versicherungspflicht führe zu einer Zwei-Klassen-Medizin, glauben 52 Prozent. Verbesserungen erwarten 23 Prozent.

Wahlmöglichkeit

Für entsprechenden - auch parteipolitisch ausgetragenen - Aufruhr sorgte der Gesundheitsstaatssekretär im Spätsommer, als er auf diesen im Koalitionsprogramm vorgesehenen Punkt hinwies. Waneck, im Zivilberuf Radiologe, schwebt "ein starkes staatliches System" mit einer "funktionierenden freien Versicherungswahl" vor, wie es in den Niederlanden existiert (siehe Bericht). Von einer "Privatisierung der Krankenversicherung" könne keine Rede sein. Es solle nur mehr Auswahlmöglichkeit geben, "dort wo es leistbar ist".

"Die Regierung will damit den privaten Versicherungsanstalten in die Hände spielen", glaubt der Hauptverband. Die Privatversicherer sind natürlich an der freien Versicherungswahl interessiert. Von den 230 Mrd. Schilling Gesamtkosten im Gesundheitsbereich übernehmen 27 Prozent Private. Derzeit liegt das Hauptgeschäft der Privatversicherungen bei den freiwilligen Zusatzversicherungen. "Wir sind im Stande, auch als Pflichtversicherer zu agieren. Das haben wir bei den Freiberuflern bereits bewiesen", betont Werner Reimelt. Er ist Generaldirektor der Merkur Versicherung und Vorsitzender der Sektion Krankenversicherung im Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs. Die Interessenvertretung stellt aber auch Bedingungen: Das Kapitaldeckungsverfahren werde die private Versicherungswirtschaft keinesfalls aufgeben. Zudem dürften die Behandlungskosten für private Versicherungen nicht länger teurer sein als für staatliche. Das sei "wettbewerbsverzerrend", sagt Reimelt. Die Sozialversicherung zahle derzeit für einen Behandlungstag im Krankenhaus rund 1.500 Schilling, eine private Versicherung jedoch 5.000 Schilling (in der normalen Klasse). Das liegt an den Rabatten (bis 60 Prozent), die der gesetzlichen Versicherung gewährt werden. Und in diese zahlen immer noch alle Steuerzahler ein.

Das Symposium "Pflichtversicherung oder Versicherungspflicht in der Krankenversicherung?" kommenden Donnerstag wird gemeinsam mit dem Institut f. Arbeits- u. Sozialrecht der Universität Salzburg vom Institut f. Rechtspolitik, Mönchsberg 2, 5020 Salzburg, veranstaltet. Tel. 0662/84 25 21/190 Dw.