Zum Hauptinhalt springen

Gesundheit im Fokus der EU

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Karas im "WZ"- Gespräch: "Volle Liberalisierung kommt nicht in Frage." | EuGH: Dienstleistungsfreiheit gilt. | Brüssel. In der EU steht ein potentielles Reizthema an: Die Rolle der Union bei Gesundheits- und Sozialdienstleistungen, die weitgehend in der Kompetenz der Mitgliedsstaaten liegen, soll geklärt werden. Dabei sei "äußerst sensibel" vorzugehen, warnt der ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Auf immerhin ein bis zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts schätzt die Kommission die Kosten in den meisten Mitgliedsstaaten allein für die Gesundheitsdienstleistungen bis zum Jahr 2050. Sie müsse klären, wie und in welchem Umfang die beiden Bereiche vom EU-Recht betroffen sind und ob überhaupt neue Unionsgesetze notwendig sind. Jedenfalls die erste Stufe könnte eher die offene Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten sein, meint der ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament. Das Thema würde aber noch "sehr langer Debatten" bedürfen. Schon in Österreich seien die Zuständigkeiten über Bund, Länder und Kommunen verteilt.

Klare Definitionen

Zuallererst müssten klare Definitionen gefunden werden. Denn was in einem Land eine Sozialdienstleistung sei, könne in einem anderen in den Gesundheitsbereich fallen - etwa, wenn Pflege auch Aspekte ärztlicher Betreuung umfasse, erläutert Karas. Und laut Dienstleistungsrichtlinie könne derzeit nur ein recht kleiner Teil der Gesundheits- und Sozialdienstleistungen überhaupt vom europäischen Wettbewerb betroffen sein. Demnach seien Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, die von der öffentlichen Hand ausgeübt werden, in der ausschließlichen Kompetenz der Mitgliedsstaaten. Auch der Bereich der Zusammenarbeit mit NGOs stehe nicht wirklich zur Disposition. Vor allem der ausschließlich private Bereich müsse aber geklärt werden. Gerade dieser boome zusehends. Ein Beispiel dafür seien Anti-Allergiebehandlungen mittels Magnetresonanz.

Es sei höchste Zeit, Rechtssicherheit zu schaffen, sagt der Europaabgeordnete. Bereits 1998 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) geurteilt, dass Gesundheits- und Sozialdienstleistungen grundsätzlich dem Recht auf EU-weiter Dienstleistungsfreiheit unterliegen - unabhängig davon, wie sie jeder Staat organisiert und finanziert.

Kommission prüft

Doch nach heftigen politischen Auseinandersetzungen wurden unter Federführung des EU-Parlaments zahlreiche Branchen aus der Dienstleistungsrichtlinie herausgenommen - darunter die Gesundheits- und Sozialdienstleistungen. Deren mögliche weitere Behandlung soll nun die EU-Kommission ausloten; noch vor dem Sommer will sie ihre Ergebnisse präsentieren. Für Karas ist der Bereich zu vielfältig, um ihn "über einen Kamm scheren zu können". Es könne jedenfalls keine Rede von einer "vollen Liberalisierung" sein.