Wen interessieren eigentlich noch der Patient und dessen Versorgung? Eine emotionale Reflexion über ein bravouröses Stück Politiker-Mikado.
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Kennen Sie sich noch aus? Diese Frage hat der ORF genau so gestellt, als die Chancen der Verhandlungen rund um die Gesundheitsreform (die ja eigentlich nur ein Kassensanierungsunterfangen ist) von keinem Beobachter mehr so richtig durchschaut werden konnte.
Erlauben Sie mir ausnahmsweise eine emotionale und unbeherrschte Meinungsäußerung zu diesen Vorgängen: Ich bin glücklich darüber, dass dieses Werk nicht vollendet wird. Man hätte ein ohnehin schon sehr schwaches Konzept durch immer faulere Kompromisse so verwässert, sodass nicht einmal das wenige, das ursprünglich angestrebt war, auch nur annähernd jemals erreichbar gewesen wäre. Das Scheitern aber eröffnet nun vielleicht jenen Weg, der mit Konsens und Vernunft - und mit einer entsprechenden Zeitachse - gegangen werden kann. Dessen Ziel sollte die Patientenversorgung und nicht der Erhalt von Machtkomplexen sein.
Nichtsdestotrotz war es spannend zu sehen, wie ignorant sich die einzelnen Machtkomplexe mittlerweile dem Thema der Gesundheitsversorgung widmen. Mit grundsätzlichen Fragen wie "Was wollen wir vom System?", "Wie soll die Versorgung aussehen?", "Erhalten die Patienten, was sie brauchen zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle?" und so weiter hat man sich erst gar nicht auseinandergesetzt.
Aber das ist ja auch nicht nötig beim angeblich besten System des Universums, das sowieso allen und überall eine Versorgung auf allerallerhöchstem Niveau bietet - gratis, versteht sich!
Auch die Frage nach Struktur- und Kompetenzveränderungen stoppte sofort an dem Punkt, wo die Mächtigen ihre Macht zugunsten der Patienten hätten aufgeben oder einschränken müssen. Statt dessen konnten alle zuschauen, wie ein peinlicher Machtkampf entbrannte und die Mächtigen nicht einmal mehr nach außen den Anschein wahren mussten, für die Patienten einzustehen.
Dass keiner der Experten, wie das parlamentarische Expertenhearing gezeigt hat, mit der vorliegenden Reform etwas anfangen konnte, hat auch nicht zu einer vertieften und vielleicht sachorientierten Reflexion geführt. Ganz im Gegenteil!
Populistische Politiker aus allen Parteien erhoben den Vorwurf, dass man als Experte ja nichts umsetzen müsse und daher leicht reden könne. Dieser Vorwurf ist getragen von genau jener Ignoranz, die erst dazu führte, dass die Machtzentren immer weiter reichende Entscheidungen nach populistischen statt nach vernünftigen Kriterien getroffen haben.
Genau diese Ignoranz ist es auch, die es der ach so umsetzungsstarken Kaste erlaubt hat, den Patienten und dessen Versorgung endgültig aus allen Diskussionen herauszuhalten. Und mit genau der gleichen Ignoranz wurden konsequenterweise seit Jahrzehnten Expertenmeinungen unterdrückt und Kritiker verjagt - es geht ja offenbar um Wichtigeres.
Die Machtkomplexe sollten sich nun einmal darauf besinnen, dass der Patient nur dann ein Gesundheitssystem braucht, wenn er im System gesünder werden kann als ohne das System. Der Gesundheitsapparat ist nicht dazu da, Krankenhäuser zu erhalten, Ärzte zu ernähren, regionale Politiker glücklich zu machen oder die Existenz von Kassen zu sichern.
Es geht einzig darum, die Gesundheit des Einzelnen zu verbessern. Aber solange die Politik nicht daran erinnert wird, wird wohl dieses öffentliche Gesundheitssystem österreichischen Zuschnitts weiter ignorant an der Macht festhalten und um jeden Preis weiterwursteln.