Nach dem Scheitern der Gesundheitsreform haben die niedergelassenen Ärzte am Montag zu einem Gutteil noch gestreikt, die für Dienstag und Mittwoch angesetzten Praxisschließungen aber abgesagt. An der für Nachmittag geplanten Kundgebung in Wien hielt man fest, die medizinische Protestfront begann allerdings zu bröckeln. Im Parlament wurde der Sozialausschuss auf unbestimmte Zeit unterbrochen. Die Schuldzuweisungen zwischen SPÖ und ÖVP gingen weiter.
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Ärztekammer-Präsident Walter Dorner gab die Aussetzung der Schließungen bekannt, warnte aber weiter vor gravierenden Verschlechterungen im österreichischen Gesundheitssystem: "Die Gefahr ist größer denn je." Er plädierte dafür, das in den Verhandlungen Erreichte beiseitezuschieben. Zurückhaltend gab er sich in seinen Erwartungen für die Demonstration. "Wenn einer kommt, freue ich mich darüber. Wenn er nicht kommt, verstehe ich es", sagte Dorner.
Nach dem Aus für das Kassenfinanzierungspaket schwand bereits am Montag der ärztliche Elan zum Widerstand. In Tirol, Oberösterreich und Kärnten wurden die Praxen zumindest teilweise geöffnet. Die Salzburger Ärztekammer ließ wissen, dass man an der Kundgebung in Wien nicht in organisierter Form teilnehmen werde. Die Wiener Ärztekammer versuchte dennoch zu mobilisieren. In der Hoffnung auf ein "machtvolles Zeichen unseres Willens" ersuchte sie per Rundschreiben "dringend" um Teilnahme.
Der Ansturm der Patienten auf die Ambulanzen blieb wie schon an früheren Streiktagen aus, in Graz wurde allerdings ein stärkerer Andrang bemerkt. Auch der Wiener Ärztefunkdienst vermeldete mehr Betrieb, es wurde aber eine Entspannung im Laufe des Tages erwartet.
Im Parlament wurde der Sozialausschusses nach dem Scheitern der Verhandlungen zum Kassenfinanzierungspaket für unbestimmte Zeit unterbrochen. Rein geschäftsordnungsmäßig könnte er auch nochmals im Herbst zusammentreten. Angesichts der anstehenden Neuwahlen gilt dies aber eher als unwahrscheinlich.
Die gegenseitigen Schuldzuweisungen von SPÖ und ÖVP für das Scheitern gingen weiter, wobei die Angriffe seitens der SP überwogen. Die Interessen der Patienten seien in Geiselhaft von Teilen der ÖVP, meinte etwa FSG-Chef Wilhelm Haberzettl. Gesundheitssprecherin Sabine Oberhauser (S) sah die Verhandlungen aufgrund der "No-Go-Haltung der ÖVP beim Strukturkapitel" gescheitert. ÖVP-Sozialsprecher Werner Amon ortete dagegen übergeordnete SP-Interessen. Für die FPÖ muss zumindest die Kassensanierung sichergestellt werden. Die Grünen orteten ein peinliches Regierungsversagen auf Kosten der Patienten.