Der Zusammenhang zwischen globaler Gesundheit und wirtschaftlicher Entwicklung wird in einer wegweisenden Studie neu definiert. Diese Erkenntnisse sollen in Zukunft neue Basis der Arbeit der Weltgesundheitsorganisation sein, sagt WHO-Generaldirektorin Gro Harlem Brundtland.
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Die Prognosen sind tatsächlich erstaunlich: Investitionen im Gesundheitsbereich in Höhe von 66 Milliarden US$ jährlich, würden zwischen 2015 und 2020 jährlich nicht nur acht Millionen Menschen das Leben retten, die globale ökonomische Entwicklung würde um 360 Milliarden US$ zunehmen. Gesunde Menschen könnten länger arbeiten und direkt Einkommen erzielen, sie würden dadurch auch indirekt zum Wirtschaftswachstum beitragen. Man sollte sich also nicht auf einen Trickle-down-Effekt verlassen und annehmen, eine florierende Wirtschaft trage auf lange Sicht ohnedies zu besserer allgemeiner Gesundheit innerhalb einer Gesellschaft bei. Zielführender sei es vielmehr, jetzt die Investitionen im Gesundheitsbereich zu erhöhen.
Zwei Jahre lang haben 18 namhafte Wirtschafts- und Gesundheitsexperten unter Leitung von Jeffrey D. Sachs mit Unterstützung von sechs Arbeitsgruppen auf Einladung der WHO (World Health Organization) an der detailreichen und fundierten Studie "Macroeconomics and Health: Investing in Health for Economic Development" gearbeitet.
Sie schlagen eine neue "Partnerschaft für Gesundheit" auf Basis von Rahmenabkommen zwischen reichen und armen Ländern vor: Industrieländer erhöhen die Entwicklungszusammenarbeit im Gesundheitsbereich um jeweils 0,1% ihres BSP. Entwicklungsländer erhöhen die Ausgaben für Gesundheit um mindestens 1% der Staatshaushalte. Vor allem verstärken sie ihre Anstrengungen, die Transparenz bei den Ausgaben und die Gesundheitsversorgung auf lokaler Ebene zu verbessern.
Im wesentlichen sind nur einige wenige Krankheiten für den schlechten Gesundheitszustand der Bevölkerung in armen Ländern verantwortlich, allen voran HIV/Aids, Tuberkulose, Malaria und Kinderkrankheiten. Ihre Auswirkungen werden durch Mangelernährung verschärft. In einigen Fällen wie HIV/Aids wird weitere Forschung dringend empfohlen. Für die meisten Krankheiten stehen aber wirksame Impfungen und Medikamente zur Verfügung. In fast allen Ländern könnte mit höheren finanziellen Mitteln die Krankheits- und Sterblichkeitsrate gesenkt werden. Nur 10% der Ärmsten leben in Ländern, in denen selbst eine Basis-Gesundheits-Infrastruktur fehlt.
Um die Verfügbarkeit von Medikamenten zu erhöhen, schlägt die Studie vor, die Produktion von Generika in armen Ländern bzw. den Import zu erleichtern. Insgesamt sollten Medikamente für Entwicklungsländer billiger werden, indem die Industrieländer allein die Forschungskosten tragen. In den vorgeschlagen Gesundheitspakt wäre also unbedingt die Pharmaindustrie einzubinden.
Kritiker könnten anmerken: Studien gibt es genug. Es fehlt nicht an Wissen, wie der Großteil der Probleme in der Dritten Welt zu lösen wären, sondern es mangelt am politischen Willen. Hoffnungsvoll stimmt die Aussage von Gro Harlem Brundtland: "Diese Studie wird Basis für die zukünftige Arbeit der WHO und ihrer Partner sein."